Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Alfred Otto Günzburg
1861 - 1945

Grabstelle Alfred Günzburg, Erdbestattung Ramoth HaShavim Cemetry (bei Tel Aviv). Quelle: Arch. M. Gregor
Grabstelle Alfred Günzburg, Erdbestattung Ramoth HaShavim Cemetry (bei Tel Aviv). Quelle: Arch. M. Gregor

Mitglied seit 1926

Leiter der Abteilung Innere Medizin des Israelitischen Krankenhauses Frankfurt a.M.

Mitbegründer der Fachgesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 1912

Flucht nach Palästina 1935

Frühe Arbeit Günzburgs 1887
Frühe Arbeit Günzburgs 1887
Norddeutsche Allgemeine Zeitung 7.5.1912
Norddeutsche Allgemeine Zeitung 7.5.1912
A. Günzburg 1913, Sonderdruck, Arch M Gregor
A. Günzburg 1913, Sonderdruck, Arch M Gregor
Auszug aus Aufbau, Das Jüdische Monatsmagazin 1946
Auszug aus Aufbau, Das Jüdische Monatsmagazin 1946

Dr. med. Alfred Otto Günzburg

  • 2‌7‌.‌0‌3‌.‌1‌8‌6‌1‌, Offenbach am Main
  • 0‌6‌.‌1‌1‌.‌1‌9‌4‌5‌, Ramoth HaShavim, Palästina
  • Mitglied seit 1926
  • Geflohen 1935, Palästina
  • Arzt für Innere Medizin

Alfred Günzburg wuchs in einer jüdischen Familie in Frankfurt a.M. auf. Sein Vater war der Kaufmann Ludwig Günzburg, geb. 05.05.1823 in Ichenhausen, Bayern, gest. 24.03.1911 in Frankfurt a.M., seine Mutter Theresa Günzburg, geb. Reiss, am 25.11.1838, gest. am 13.05.1911 in Frankfurt a.M. Alfred Günzburg hatte zwei Geschwister: Hedwig Marie Hirschel (geb. Günzburg am 22.10 1858, gest. am 11.06.1939 in Frankfurt a.M.; Heirat 1884 mit Alfons Hirschel, geb. 26.05.1851, gest. 26.02.1912 in Frankfurt a.M.) und Bruder Robert Günzburg, geb. 1864 in Offenbach a.M., gest 26.04.1925 in St. Martin, London.

Günzburg studierte Medizin in Heidelberg, Marburg und Leipzig. Das Studium schloss er mit der Approbation und der Promotion 1885 ab.

Im April 1894 heiratete Alfred Günzburg die aus Frankfurt stammende Luise Daisy Strauss, geb. 18.12.1866. 1895 wurde der Sohn Ludwig Alexander geboren, der später in München Medizin studieren wird. Anschließend wird er nach Frankfurt zurückkehren und sich als promovierter Allgemeinarzt niederlassen. 1897 folgte der Sohn Paul Günzburg, der nach dem 1. Weltkrieg als Buchhändler in Frankfurt tätig sein wird

 

Ausbildungsstätte und Wirkungsstätte

Seit 1886 war Günzburg als Assistenzarzt am Frankfurter Königswarter Hospital, dem Vorläufer des späteren Israelitischen Krankenhauses in Frankfurt a. M., bei dem Hospitalarzt Simon Kirchheim tätig.

Frühe Arbeit Günzburgs 1887
Frühe Arbeit Günzburgs 1887
Deutsche Medizinische Wochenschrift 1889; 15 (41) 841-842
Deutsche Medizinische Wochenschrift 1889; 15 (41) 841-842

Nach Kirchheims Pensionierung 1908 übernahm Alfred Günzburg die ärztliche Leitung der Abteilung für Innere Medizin am Königswarter Hospital. Günzburg war an der Planung des Neubaus des Insraelitischen Krankenhauses beteiligt, das 1914 eingeweiht wurde.  Bis 1925 leitete Alfred Günzburg die Abteilung Innere Medizin des neuen Israelitischen Krankenhauses. Sein Nachfolger wurde Professor Dr. Simon Isaac
1888-1908 war Günzburg zudem Gründungsmitglied und leitender Arzt des „Gumpertz´schen Siechenhauses“, einem jüdischen Armenkrankenhaus in Frankfurt, welches Kranken-, Behinderten-, Alten- und Armenpflege vereinigte.

Günzburg war mit weiteren Kollegen Mitbegründer und bis in die 1930er Jahre langjähriger Vorsitzender des Frankfurter jüdischen Schwesternvereins und Schwesternhauses. Er trat für eine fundierte Ausbildung und Professionalisierung im Pflegeberuf ein und war der erste, der jüdische Krankenpflegerinnen ausbildete. In Würdigung seiner Verdienste wurde ihm der Titel Sanitätsrat verliehen.

Frühzeitig hatte er sich mit Fragestellungen aus dem noch sehr jungen Fachgebiet der Gastroenterologie beschäftigt. Nach ihm ist die ‚Günzburgsche Reaktion‘ (auch ‚Günzburg-Reagenz‘, ‚Günzburg-Probe‘), eine von ihm entwickelte diagnostische Methode zum Nachweis von freier Salzsäure im Magensaft, benannt. Ferner beschrieb er das ‚Günzburg-Phänomen‘ bei Duodenalulzera.

A. Günzburg 1913, Sonderdruck, Arch M Gregor
A. Günzburg 1913, Sonderdruck, Arch M Gregor

Im Mai 1912 gehörte Alfred Günzburg zu jenen Klinikern und niedergelassenen Spezialärzten für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten, die in Bad Homburg die Gründung einer Fachgesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten sowie vor allem den Ersten Kongress für das neue Fachgebiet der Gastroenterologie vorbereiteten, der dann am 24. April 1914 stattfand. Initiatoren des Treffens waren Ismar Boas, Berlin, und Curt Pariser, Bad Homburg.

Norddeutsche Allgemeine Zeitung 7.5.1912
Norddeutsche Allgemeine Zeitung 7.5.1912
Reichsmedizinalkalender 1914, S.336
Reichsmedizinalkalender 1914, S.336
Archiv Für Verdauungskrankheiten, 1924; Bd. 33 (34) 133-145;
Archiv Für Verdauungskrankheiten, 1924; Bd. 33 (34) 133-145;

 

Nach 1933

Im April 1933 hatte die Familie Günzburg den Boykott der jüdischen Arztpraxen und Geschäfte durch die Nationalsozialisten erlebt.
Der Sohn Dr. Ludwig Günzburg floh im Juli 1933 nach Palästina.
„Ludwig Günzburg war promovierter Arzt. Als Mitglied im Verein sozialistischer Ärzte erhielt er unmittelbar nach der „Machtergreifung“ Berufsverbot. Mit einem Besuchervisum reiste Ludwig Günzburg nach Palästina und erkundete die Möglichkeiten einer Emigration. Im Herbst 1933 folgte seine Frau mit ihren gemeinsamen drei Kindern. Die Familie ließ sich in Ramot HaShawim nieder. Ludwig Günzburg erhielt eine Arztlizenz und war in einer kleinen Privatpraxis als niedergelassener praktischer Arzt tätig.

Später gründete er mit dem Krankenhaus „Beit Finestone“ in Ramot HaShawim, dem ersten israelischen Rehabilitationszentrum für Unfall- und Kriegsverletzte, dessen Leitung er bis 1965 innehatte. 1959 fusionierte das Haus mit der in Raanana ansässigen Lungenheilanstalt für Tuberkulosekranke „Beit Levinstein“. Unter diesem Namen besteht das Krankenhaus und Sanatorium noch heute. Es gehört zu den renommiertesten Krankenhäusern in Israel.
Auch im Alter von 70 Jahren stand er seiner Klinik weiterhin als Berater zur Verfügung und arbeitete bis zu seinem 79. Lebensjahr als ärztliche Teilzeitkraft bei der „Kupat Cholim“, der zeitlich begrenzten staatlichen Gesundheitsversicherung für Immigranten. Nach einer schweren Krankheit starb Ludwig A. Günzburg 1976 im Alter von 81 Jahren.“
(aus:  http://aerzte.erez-israel.de/guenzburg/)“

 1935 verließen Alfred Günzburg und seine Ehefrau Deutschland. Sie gelangten nach Palästina und wohnten bis zu seinem Tod 1945 im Haus der Familie seines Sohnes Ludwig Alexander in Ramoth HaShavim („Hügel der Zurückgekehrten“, bei Tel Aviv gelegen), das als genossenschaftliche Siedlung 1933 von deutschen Einwanderern gegründet worden war. Ludwig Günzburg engagierte sich rasch nach seiner Ankunft in Palästina in der kleinen Kooperative, gehörte zu deren Beirat und Vorstand und setzte sich aktiv neben seiner ärztlichen Tätigkeit für die Weiterentwicklung der kleinen Siedlung ein (vgl. P. Leers, Ramoth HaShavim 1933-1973, S. 93-98). Alfred Günzburg beriet seinen Sohn konsultativ und machte die Laboratoriumsarbeiten für ihn. Nachdem er die ersten schweren Jahre überwunden hatte, übertrug ihm die „Kupat Cholim“ die Leitung eines Pflegeheims für chronisch kranke Menschen.

Alfred Günzburg starb am 6. 11. 1945 84-jährig in Ramoth HaShavim. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Ramoth HaShavim Cemetery. Seine Ehefrau Luise Daisy Günzburg war bereits im Januar 1936 wenige Monate nach ihrer Ankunft in Palästina gestorben.

Auszug aus Aufbau, Das Jüdische Monatsmagazin 1946
Auszug aus Aufbau, Das Jüdische Monatsmagazin 1946

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Neue Methode zum Nachweis freier Salzsäure im Mageninhalt. Centralblatt für Klinische Medicin 1887; 8 (40): 737-740
  2. Ein Ersatz der diagnostischen Magenausheberung. DMW – Deutsche Medizinische Wochenschrift 1889; 15 (41): 841-842
  3. Zur Diagnose der Duodenalgeschwüre. DMW - Deutsche Medizinische Wochenschrift 1910, Bd.36: 1318–1320
  4. Der Magensaftfluss und verwandte Sekretionsstörungen. In: Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem Gebiete der Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten. Hg. A. Albu, Halle, C. Marhold Verlag 1913, IV. Band, Heft 7, S. 1-69

Beitrag von Univ.-Prof. (i.R.) Dr. med. Michael Gregor, Tübingen und
Dr. med. Harro Jenss, Worpswede. Stand 2.3.2025

 

 

 

 

 


Quellen und Literatur
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Dr. med. Alfred Otto Günzburg

Literatur

Fischer I. Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Band 1 , Berlin – Wien: Urban & Schwarzenberg 1932, S. 549

M.R., Dr. Alfred Günzburg, Nachruf. Aufbau, 1946; 12: Nr. 2 ( 11. Januar 1946 ), S. 24

Kagan S.R. Jewish Medicine. Boston: Medico-Historical Press 1952, S. 306

Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde  Frankfurt. In: Kallmorgen W., Siebenhundert Jahre Heilkunde in Frankfurt am Main. Frankfurt: Verlag Moritz Diesterweg 1936, S. 135

Frankfurter Gelehrten-Handbuch. E. Bergmann ( Hg ). Frankfurt: Verlag der Universitätsbuchhandlung, Blazek und Bergmann, o.J., S. 66

Leers P. Ramoth HaShavim 1933 -1973, [Nora Ullmann, Hg], Ramoth HaShavim 1974, o.V., S. 38, 55, 93-98 u. S. 158 u. 199 (Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt, Sign. 81.347.22)

Webseiten

https://www.juedische-pflegegeschichte.de/personen/alfred-guenzburg/

https://www.juedische-pflegegeschichte.de/institutionen/gumpertzsches-siechenhaus/

https://digital.zbmed.de/medizingeschichte/periodical/pageview/5743301 [ Reichsmedizinalkalender 1914, S. 336, Eintrag Dr. Alfred Günzburg, Sanitätsrat ]

http://aerzte.erez-israel.de/guenzburg/