Dr. med. Erich Schweinburg
- 02.02.1888, Wien
- 24.05.1941, Birmingham / England
- Mitglied seit 1927
- Geflohen 1938, England
- Zlaté Hory v Jeseníkách
- Facharzt für Innere Medizin
Erich Schweinburg wurde 1888 in Wien als Sohn von Dr. med. Ludwig Schweinburg (1854 – 1923) und Hermine Schweinburg, geb. Popper (1857 – 1932) geboren.
Dr. Ludwig Schweinburgs Sanatorium und Wasserheilanstalt AG
Erich Schweinburgs Vater Ludwig Schweinburg war Assistent bei Professor Wilhelm Winternitz in Wien. Dieser gehörte damals zu den führenden Hydrotherapeuten und spielte auf dem Gebiet der Balneologie eine bedeutende Rolle. Er war Ehrenmitglied in der Balneologischen Gesellschaft (E.V.) zu Berlin. Ludwig Schweinburg war Mitglied in dieser Gesellschaft.
In Zuckmantel (heute Zlaté Hory, Tschechische Republik) reichten die Anfänge des Kurbetriebs bis in die 1840er Jahre zurück, als der Papiermacher Josef Weiß hier ein Heil- und Balsambad und ein Hydrotherapie-Institut gründete. Im Jahr 1879 baute der Prager Arzt Karl Anjel in der Stadt ein modernes Sanatorium mit Hydrotherapie, Massagen und Elektrotherapie, sechzig Zimmern und einer Schwimmhalle. Im Jahr 1887 besuchte der Komponist Leoš Janáček das Heilbad. Anjels Kollege, der Wiener Arzt Ludwig Schweinburg, übernahm 1889 das Sanatorium, erweiterte und modernisierte es erheblich. Er benannte es um in „Dr. Ludwig Schweinburgs Sanatorium und Wasserheilanstalt AG” und überführte es in die Trägerschaft einer Aktiengesellschaft. Etwa 220 Patienten verfügten über 170 Zimmer, einen großen Speisesaal, einen Salon, einen Lesesaal und eine überdachte Promenade. Das Sanatorium war mit elektrischer Beleuchtung und einer Gas-Zentralheizung ausgestattet. Jährlich wurden etwa 600 Patienten wegen Gicht, Blutarmut, Diabetes, Übergewicht oder geistiger Schwäche behandelt. Schweinburgs Behandlungen waren eine Kombination aus Hydrotherapie, Elektrotherapie, Gymnastik, Diät und Gehen. Ludwig Schweinburg leitete in den Sommermonaten von April bis Anfang November als Chefarzt das Sanatorium Zuckmantel, führte aber weiterhin noch eine Praxis in Wien. Auch der Sitz der Aktiengesellschaft blieb in Wien und wurde erst 1922 nach Zuckmantel verlegt.
In einer Monografie von 1900 über das Sanatorium hob Ludwig Schweinburg die landschaftlich schöne Lage, den Komfort und die Eleganz sowie die Vollkommenheit und Reichhaltigkeit der Hilfsmittel zur Ausübung der physikalisch-diätetischen Heilmethoden als eine der „am besten und vollkommenst eingerichteten Anstalten des Kontinents“ hervor. Er betonte weiter, dass „die Kuren nur nach seiner Anordnung in rationeller Weise und nach streng wissenschaftlichen Grundsätzen bei sorgfältigster Individualisierung und fortwährender aufmerksamer Überwachung ausgeführt“ werden und „nur im Zusammenwirken aller durch die moderne Wissenschaft und die grossen therapeutischen Errungenschaften der letzten Jahre — namentlich auf dem Gebiete der physikalisch-diätetischen Heilmethoden — gebotenen Faktoren die höchste Sicherung des Erfolges gelegen sei“. Er legte Wert auf den wissenschaftlichen Ansatz seiner Therapiemaßnahmen. Auf dem neuesten Stand befand sich die apparative diagnostische und therapeutische Ausstattung des Sanatoriums.
Der wohl berühmteste Patient im Sanatorium Dr. Schweinburg war in den Jahren 1905 und 1906 der Schriftsteller Franz Kafka. Er galt als „nervöser“ Patient und wurde entsprechend in Zuckmantel wegen „Neurasthenie“ behandelt. Ob der Arzt Dr. Siegfried Löwy (1867-1942), Kafkas Onkel und Bruder seiner Mutter, seinen Neffen an das Sanatorium in Zuckmantel verwiesen hat, ist nicht sicher geklärt [Siegfried Löwy praktizierte seit 1899 im mährischen Triesch, heute Třešt, Tschechische Republik. Kafka stand Löwy nahe und besuchte ihn regelmäßig. Vermutlich inspirierte Siegfried Löwy Franz Kafka zu dessen Erzählung „Der Landarzt“. Löwy beging im Oktober 1942 kurz vor seiner Deportation in das Ghetto Theresienstadt Selbstmord].
Ausbildung und Wirkungsstätte
Erich Schweinburg besuchte zunächst das Gymnasium in Troppau, heute Opava, gut 60 km entfernt von Zuckmantel. Er wechselte dann nach Wien auf das k. k. Akademische Gymnasium und legte dort im Herbst 1907 sein Abitur ab. Direkt anschließend begann er im Wintersemester 1907/08 in Wien an der dortigen Universität sein Medizinstudium. 1911 wechselte er für ein Semester an die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, um zum Wintersemester 1911/12 nach Wien zurückzukehren. Dort wurde er mit dem Abschluss des Studiums am 22. April 1913 zum Dr. med. promoviert. Bereits während seines Studiums widmete sich Erich Schweinburg dem Fechtsport. Nach seiner Promotion trat er in die Armee ein. Belegt ist seine dortige Karriere: 1913 war er „Assistenzarzt-Stellvertreter“, im Januar 1914 Assistenzarzt im Dragonerregiment Nr. 6, ab 1915 Assistenzarzt in der Reserve und schließlich 1917 Oberarzt im Heer. Er wurde im 1. Weltkrieg mehrfach ausgezeichnet.
Im Dezember 1915 heiratete er in Wien Irma Fried. Das Ehepaar bekam in den Jahren 1918, 1920 und 1923 drei Kinder. Nach dem ersten Weltkrieg arbeitete Erich Schweinburg mit seinem Vater zusammen, wurde im Sanatorium Primararzt und Chefarztstellvertreter und 1922 mit seinem Vater gleichberechtigter Vorstand der Trägergesellschaft, die im selben Jahr ihren Sitz von Wien nach Zuckmantel verlegte.
1923 verstarb Ludwig Schweinburg, so dass Erich Schweinburg die alleinige ärztliche Leitung des Sanatoriums in Zuckmantel übernahm, das seit 1924 ganzjährig geöffnet war. „In dieser Anstalt von Erich Schweinburg kamen Hydro- und Elektrotherapie, Massage, Heilgymnastik, Heißluft, Höhensonne, Diathermie, Kohlensäure- und Sauerstoffbäder, Fango- Packungen, Trink- und Terrainkuren und Diätkuren aller Art zur Anwendung.“ (Hubertus Averbeck). 1930 wurde in Zuckmantel in großem Rahmen das 50jährige Jubiläum des Sanatoriums gefeiert. Ende 1932 verstarb die Mutter Hermine Schweinburg.
Nach 1933
Im Rahmen der Weltwirtschaftskrise ging die Belegung mit Privatpatienten im Sanatorium zurück. Die finanziellen Verluste konnten erst ab 1937 durch Verträge mit Krankenkassen aufgefangen werden. Die anhaltenden wirtschaftlichen Probleme und antisemitischen Tendenzen durch das Aufkommen des Nationalsozialismus in Deutschland führten zum Entschluss, das Sanatorium zu verkaufen. Die Familie Schweinburg fand aber keinen Käufer. Erschwerend kam hinzu, dass „Reichsdeutsche“ keine Geschäfte mit Juden machen durften. Bereits vor dem Münchener Abkommen und dem „Anschluss“ des Sudetenlandes im Oktober 1938 flohen fast 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung aus dem Sudetenland.
Auch Erich Schweinburg und seine Familie mussten Zuckmantel und das Sanatorium im September 1938 verlassen und über Olmütz (heute Olomouc, Tschechische Republik), das erst 1939 von Nazideutschland besetzt wurde, nach Birmingham in England fliehen. Bis Kriegsbeginn waren geschätzt 40 000 jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei in Großbritannien angekommen. Die britische Ärztekammer weigerte sich sehr lange, in größerem Ausmaß geflüchtete jüdische Ärzte zuzulassen. Bis Kriegsende waren von 1000 geflüchteten österreichischen Ärzten nur 50 zugelassen, nachdem sie ein zweijähriges Praktikum und eine Prüfung absolviert hatten.
Über das weitere Schicksal Erich Schweinburgs in England ist uns bisher nichts bekannt. Er verstarb am 24. Mai 1941 in Birmingham und hinterließ seinen Angehörigen eine kleine Geldsumme. Seine drei Kinder emigrierten in die USA. Seine Ehefrau Irma verstarb 1967 in Stourbridge bei Birmingham
Das Sanatorium nach 1938
Bereits 1939 tauchte die Deutsche Reichswehr im Grundbuch als Besitzer des Sanatoriums auf und errichtete später in den Gebäuden ein Krankenhaus für Wehrmachtsangehörige und an Tuberkulose erkrankte Berlinerinnen. Nach der deutschen Kapitulation 1945 wurde das Gebäude vorübergehend von der Sowjetarmee besetzt. Es kam später unter die Verwaltung des Verteidigungsministeriums der Tschechoslowakei. Die Bausubstanz verfiel, bis 1948 das Sanatorium vom Gesundheitsministerium übernommen wurde. Nach umfangreichen Umbauten wurde es zu einem staatlichen Kinderkrankenhaus, zunächst für Kinder mit Mangelernährung oder aus mit Tuberkulose erkrankten Familien, später auch für Kinder mit Atemwegserkrankungen. Anfang der 1980er Jahre wurde die Anlage umgebaut und die Kapazität reduziert. 1996 wurde das Sanatorium privatisiert und existiert heute noch als Klinik für Kinder mit Atemwegserkrankungen.
Beitrag von Dr. med. Ulrich Menges, Soest. Stand 15.5.2025
Quellen und Literatur
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