Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Hans Meyer
1891 - 1971

Dr. med. Hans Meyer, o.J. © Leslie Kay
Dr. med. Hans Meyer, o.J. © Leslie Kay

Mitglied seit 1926

Dissertation in Berlin

Niederlassung in Berlin

Flucht in die USA

Niederlassung in San Franzisco

Kopie Titelblatt Dissertation, Arch H Je
Kopie Titelblatt Dissertation, Arch H Je
Reichsmedizinalkalender 1926, das Herz nach dem Namen symbolisiert Facharzt für Innere Krankheiten, Kopie Arch H Je
Reichsmedizinalkalender 1926, das Herz nach dem Namen symbolisiert Facharzt für Innere Krankheiten, Kopie Arch H Je
Benachrichtigung über Judenvermögensabgabe 1939, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin
Benachrichtigung über Judenvermögensabgabe 1939, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin
Hans und Anna Meyer links neben Robert und Elisabeth Lesser, 1940er Jahre ©  Leslie Kay
Hans und Anna Meyer links neben Robert und Elisabeth Lesser, 1940er Jahre © Leslie Kay
Wohnhaus Hans und Anna Meyers,  63 Seal Rock Drive, San Francisco, Foto Carolin Manthey, 2025
Wohnhaus Hans und Anna Meyers, 63 Seal Rock Drive, San Francisco, Foto Carolin Manthey, 2025
Anna and Hans Meyer, 1950, © Leslie Kay
Anna and Hans Meyer, 1950, © Leslie Kay

Dr. med. Hans Meyer

  • 0‌4‌.‌0‌6‌.‌1‌8‌9‌1‌, Berlin
  • 3‌0‌.‌0‌7‌.‌1‌9‌7‌1‌, San Francisco, USA
  • Mitglied seit 1926
  • Geflohen 1938, USA
  • Berlin
  • Facharzt für Innere Krankheiten

„Ich wurde am 4. Juni 1891 als Sohn des 1914 verstorbenen Kaufmanns Alex Meyer und seiner Ehefrau Hanna, geb. Mühlendorf in Berlin geboren und bin jüdischer Konfession. Nach der Vorschule besuchte ich das Sophien-Gymnasium zu Berlin, auf dem ich im Herbst 1909 das Zeugnis der Reife erhielt. Mit Ausnahme des zweiten in Heidelberg verbrachten Semesters lag ich meinem medizinischen Studium ausschließlich in Berlin ob […].

Im Frühjahr 1912 bestand ich die ärztliche Vorprüfung mit ‚gut’, im August 1914 die ärztliche Staatsprüfung mit ‚gut’ und wurde am 3. Februar 1915 approbiert. Vom September 1914 bis Februar 1915 war ich dem Festungslazarett Metz zugeteilt, seit dem Februar 1915 stehe ich als Feldarzt beim Dragonerregiment von Bredow“, so Hans Meyer im Lebenslauf in seiner Dissertationsschrift. Im Juni 1916 wurde Meyer mit der Arbeit „Zur Biologie der Zwillinge“ an der Berliner Universität promoviert.

Kopie Titelblatt Dissertation, Arch H Je
Kopie Titelblatt Dissertation, Arch H Je

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Hans Meyer nahm seit 1914 am Ersten Weltkrieg bis zum November 1918 teil.  Wegen einer Erkrankung wurde er seit 1916 im Garnisionsdienst eingesetzt.

Hans Meyer als Soldat im 1. Weltkrieg 1917, © Leslie Kay
Hans Meyer als Soldat im 1. Weltkrieg 1917, © Leslie Kay

Von 1919 bis 1929 war er als Assistenzarzt an der III. Medizinischen Universitätsklinik der Charité bei Alfred Goldscheider und an der I. Medizinischen Klinik der Charité bei Wilhelm His jr. tätig. Seit dem Februar 1920 führte er nebenher eine Praxis in Berlin, zunächst in der Berliner Strasse 15, seit 1924 bis 1935 in der Nassauischen Strasse 61. Seine Patient*innen, die einer stationären Diagnostik oder Therapie bedurften, betreute Hans Meyer in der vom Roten Kreuz gegründeten Klinik in der Landhausstrasse in Berlin-Wilmersdorf (Landhausklinik) sowie in der Privatklinik von Professor Dr. Unger in der Berliner Derfflingerstrasse.

Reichsmedizinalkalender 1926, das Herz nach dem Namen symbolisiert Facharzt für Innere Krankheiten, Kopie Arch H Je
Reichsmedizinalkalender 1926, das Herz nach dem Namen symbolisiert Facharzt für Innere Krankheiten, Kopie Arch H Je

1928 wurde Meyer Vertrauens- und Personalarztarzt bei der BEWAG Berlin (Berliner Städtische Elektrizitätswerke AG). Diese Funktion beanspruchte einen beträchtlichen Teil seiner Tätigkeit.

 Am 12. November 1921 heiratete Hans Meyer in Frankfurt Anna Levy, geb. am 14. April 1898 in Metz, die damals Musik studierte und deren Eltern Eduard und Bella Levy in Frankfurt a. M. lebten. Anna Meyer wurde Opernsängerin. Hans Meyer selbst war begeisterter Musikliebhaber.

In Berlin war Hans Meyer mit dem jüdischen Arzt Robert Lesser, wie Meyer 1891 in Berlin geboren, eng befreundet. Lesser praktizierte seit Mitte der 1920er Jahre in der Berliner Köpenicker Strasse 174.

Hans und Anna Meyer re, Robert Lesser li, 1920er Jahre, © Leslie Kay
Hans und Anna Meyer re, Robert Lesser li, 1920er Jahre, © Leslie Kay
Robert und Elisabeth Lesser mit der Tochter Renate (später verheiratete Kay) um 1930, © Leslie Kay
Robert und Elisabeth Lesser mit der Tochter Renate (später verheiratete Kay) um 1930, © Leslie Kay

 

Nach 1933

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten erlebte Meyer die früh einsetzenden Demütigungen und Verfolgungen der jüdischen Bevölkerung. Die Stelle als Vertrauensarzt bei der Berliner BEWAG wurde ihm noch im Jahr 1933 gekündigt. Die Zahl seiner Patienten nahm deutlich ab. Bis 1935 konnte er seine Privatpraxis in der Berliner Nassauischen Strasse weiterführen.

Benachrichtigung über Judenvermögensabgabe 1939, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin
Benachrichtigung über Judenvermögensabgabe 1939, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin

Die Lebensbedingungen für Anna und Hans Meyer verschlechterten sich seit 1933 kontinuierlich. Nach Erlass der Nürnberger Gesetze („Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“) im September 1935 entschloss sich das Ehepaar zur Flucht aus Deutschland. Die Flucht erfolgte in gemeinsamer Absprache und Planung mit Meyers Freund Robert Lesser, der mit seiner Ehefrau Elisabeth und der Tochter Renate zunächst nach Großbritannien gelangte, von Liverpool aus Anfang Februar 1936 in die USA / New York und von dort nach San Francisco gelangte.

Hans und Anna Meyer verließen Berlin Ende 1935 und gelangten über Paris und Cherbourg im Januar 1936 mit dem Schiff „Majestic“ der White Star Line nach New York (vgl. Entschädigungsakte, D 5). Am 8. Februar 1936 reiste das Ehepaar mit dem Schiff „California“ weiter durch den Panamakanal und erreichte am 24. Februar 1936 San Francisco.

Hans und Anna Meyer links neben Robert und Elisabeth Lesser, 1940er Jahre ©  Leslie Kay
Hans und Anna Meyer links neben Robert und Elisabeth Lesser, 1940er Jahre © Leslie Kay

Meyer musste in Kalifornien Sprachkurse ablegen. Zudem absolvierte er ein 13-monatiges Praktikum in einem Hospital der Universität Kaliforniens San Francisco (UCSF). Nach intensiver Vorbereitung bestand Meyer im Juni 1937 das amerikanische Staatsexamen. Seine Ehefrau trug durch Aushilfsarbeiten in den ersten beiden Jahren in den USA zum Lebensunterhalt bei. Nach Erhalt der Lizenz zur Ausübung des ärztlichen Berufes eröffnete Hans Meyer im Januar 1938 eine private Praxis in San Francisco (vgl. M 29 der Entschädigungsakte). In San Francisco setzten die Ehepaare Meyer und Lesser ihre Freundschaft fort und pflegten einen engen gemeinsamen Kontakt. Hans und Anna Meyer lebten in San Francisco, 63 Seal Rock Drive, in der Nähe des heutigen Veterans Administration Medical Centers an der westlichen Küste der Stadt.

Wohnhaus Hans und Anna Meyers,  63 Seal Rock Drive, San Francisco, Foto Carolin Manthey, 2025
Wohnhaus Hans und Anna Meyers, 63 Seal Rock Drive, San Francisco, Foto Carolin Manthey, 2025
Anna and Hans Meyer, 1950, © Leslie Kay
Anna and Hans Meyer, 1950, © Leslie Kay

Im Juni 1937 erreichte Hans Meyers Mutter Hanna (Johanna) Meyer, geb. 20.12.1862, ebenfalls San Francisco. Sie konnte aus Deutschland zunächst in die Schweiz fliehen und von Le Havre / Frankreich in die USA gelangen.

Passbild der Mutter Hans Meyers, Hanna Meyer, US-Einbürgerungsantrag, Quelle: ancestry.de
Passbild der Mutter Hans Meyers, Hanna Meyer, US-Einbürgerungsantrag, Quelle: ancestry.de

Vom November 1944 bis 1946 wurde der 53-jährige Meyer zum amerikanischen Militärdienst verpflichtet, den er im Tuberkulose-Institut der US Veterans Administration in Walla Walla im Staat Washington ableistete.

US-Einzugs-Registrierungskarte,
Quelle: ancestry.de
US-Einzugs-Registrierungskarte, Quelle: ancestry.de

Seit 1946 führte Hans Meyer seine Praxis in San Francisco, seit 1950 gemeinsam mit einem Kollegen fort. 1958 gab Meyer seine Praxistätigkeit krankheitsbedingt auf. 1962 hielt er sich in Deutschland zu einer ärztlichen Behandlung auf der Bühler Höhe auf.

Schreiben der San Francisco Medical Society 1958 anlässlich der Praxisaufgabe Hans Meyers, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin
Schreiben der San Francisco Medical Society 1958 anlässlich der Praxisaufgabe Hans Meyers, Quelle: Entschädigungsbehörde Berlin

Hans Meyer starb am 30.7.1971 80-jährig im San Francisco French Hospital. Im San Francisco Explorer erschien zwei Tage später eine kurze Notiz. Seine Ehefrau Anna Meyer, geb. Levy, starb am 6.9.1989 91-jährig in Tiburon, Marin County, im US-Bundesstaat Kalifornien. Die Grabstelle des Ehepaars ist bisher nicht bekannt.

Hans A. Meyers älterer Bruder Ernst Meyer, geb. am 7.9.1889, wurde im November 1940 41-jährig aus Berlin-Wilmersdorf deportiert und im Konzentrationslager Chełmno im besetzten Polen ermordet.

Eduard und Bella Levy, die Eltern Anna Meyers, konnten 1939 aus Frankfurt nach England fliehen und gelangten 1940 in die USA. Sie lebten ebenfalls in San Francisco. Auch Anna Meyers Schwester Paula Kaufmann-Levy konnte aus Deutschland (Mannheim) 1940 nach San Francisco gelangen.

Danksagung

Großer Dank gebührt Leslie Kay, USA, der Enkeltochter Dr. Robert Lessers, der ein enger Freund Dr. Hans Meyers in Berlin und San Francisco war. Sie hat aus ihrem Familienarchiv großzügig wertvolle Fotographien zur Verfügung gestellt und über die Freundschaft der beiden Familien berichtet. Ebenso danke ich ihrem Vater Ronald H. Kay, der Hans und Anna Meyer persönlich erlebte und darüber erzählen konnte. – Meiner Kollegin Dr. Carolin Manthey danke ich für die Kooperation und für die Fotographie des früheren Wohnhauses Hans und Anna Meyers, 63 Seal Rock Drive in San Francisco, während einer USA Reise 2025.

 

Beitrag:  Dr. med. Harro Jenss, Worpswede, Dr. med. Carolin Manthey, Witten. Stand 18.10.2025

 


Quellen und Literatur
zu den Quellen
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Dr. med. Hans Meyer

Quellen

Archiv der Humboldt-Universität Berlin. Med.Fak. 01, Nr. 823 [Lebenslauf Hans Meyer] und Universitätsmatrikel, Matrikel Nr. 5818/100 Rektorat v. 29.9.1910 sowie Auszug aus Studentenverzeichnis WH 1910/11 S. 188 und WH 1914/15 S.1867

Meyer H. Zur Biologie der Zwillinge. Medizinische Dissertation. Staatsbibliothek Berlin, SBB-PK, Sign. Ja 3380-1917,4. Darin Lebenslauf S. 53 f

Entschädigungsbehörde Berlin / Landesamt für Bürger-und Ordnungsangelegenheiten (LABO). Entschädigungsakte sowie Rentenakte Dr. med. Hans A. Meyer, Reg.Nr. 61 204 [darin ausführliche Lebensläufe Hans Meyers]

Lesser R. Die Behandlung der Fistula ani. Medizinische Dissertation. Staatsbibliothek Berlin, SBB-PK, Sign. Ja 3380-1918,8. Darin Lebenslauf S.39f [ Robert Lesser, geb. 4.6.1891 in Berlin, legte im März 1918 an der Berliner Universität das Staatsexamen ab und wurde im gleichen Jahr promoviert ]

Persönliche Mitteilungen Leslie Kays, der Enkeltochter des mit Hans Meyer eng befreundeten Arztes Dr. Robert Lesser [Email-Kontakt 2025]

Weblinks

https://collections.yadvashem.org/de/names/4121221 [Deportation Ernst Meyer, geb. 7.9.1889 in Berlin, von Berlin in das KZ Chelmno, Polen, November 1940]

 https://www.stolpersteine-berlin.de/de/kopenicker-strasse/174/robert-lesser , Stand 10.10.2025