Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Isidor Sandbank
1875 - 1943

Passfoto ca. 1938. Quelle: Archives Departementales Nice
Passfoto ca. 1938. Quelle: Archives Departementales Nice

Mitglied seit 1925

praktischer Arzt in Wien, Kurarzt in Marienbad

Flucht nach Frankreich

Deportation nach Auschwitz

Kartei Ärztinnen und Ärzte ca 1920 1938 Ärztekammer Wien. Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv 2 10 2 K1
Kartei Ärztinnen und Ärzte ca 1920 1938 Ärztekammer Wien. Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv 2 10 2 K1
Polizeitakten Nizza Vorderseite. Quelle: Archives departementales Nice
Polizeitakten Nizza Vorderseite. Quelle: Archives departementales Nice

Dr. med. Isidor Sandbank

  • 1‌9‌.‌0‌6‌.‌1‌8‌7‌5‌, Czernowitz, Österreich-Ungarn, heute Tscherniwzi, Ukraine
  • 2‌0‌.‌1‌2‌.‌1‌9‌4‌3‌, Auschwitz
  • Mitglied seit 1925
  • Wien
  • praktischer Arzt

Isidor (Gerson Isak) Sandbank wurde am 19.6.1875 in Czernowitz als Sohn des Kaufmanns Manuel Sandbank und seiner Ehefrau Henriette geb. Schor geboren, sein Bruder Ascher (Alfred) kam am 16. 12. 1876 auf die Welt. Die Familie bekannte sich zur jüdischen Glaubensgemeinschaft. Czernowitz, in der Bukowina gelegen, gehörte bis 1918 zur österreichisch-ungarischen Donaumonarchie und ist heute Teil der Ukraine.
Nach dem Besuch des K.K.Obergymnasiums in Czernowitz und der Matura am 20.6.1893 studierte Isidor Sandbank vom Wintersemester 1893/94 bis zum Sommersemester 1898 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Er bezog ein Freiherr Eskeles’sches Stipendium. Die ärztlichen Prüfungen legte er am 18.7.1898, 17.4.1899 und am 18.7.1899 ab und wurde am 24.7.1899 zum Dr. med. promoviert.

 

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Über die weitere Ausbildung von Isidor Sandbank ist wenig bekannt. 1901 wird er in den Zentralverband der Balneologen Österreichs aufgenommen.
Im Adressbuch Wien 1901 wird er bereits als MDr aufgeführt, mit der gleichen Adresse wie sein Vater. 1904 erscheint er im Adressbuch als Dr. der gesamten Heilkunde in der Komödiengasse 6 im II. Wiener Bezirk. In Klammern wird erwähnt: „Sommer in Marienbad“. Die Wiener Adresse behält er bis 1938.

Kartei Ärztinnen und Ärzte ca 1920 1938 Ärztekammer Wien. Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv 2 10 2 K1
Kartei Ärztinnen und Ärzte ca 1920 1938 Ärztekammer Wien. Quelle: Wiener Stadt- und Landesarchiv 2 10 2 K1

Jährlich im Frühsommer findet sich in den Nachrichten in der Wiener Medizinischen Wochenschrift der Hinweis, dass Dr. Isidor Sandbank seine Praxis in Marienbad (heue Tschechien) aufgenommen hat, zuletzt 1937.

Vermutlich Anerkennung med. Examina in der Tschechoslowakei. Quelle: Archiv Karls-Universität Prag
Vermutlich Anerkennung med. Examina in der Tschechoslowakei. Quelle: Archiv Karls-Universität Prag

Am 8.5.1902 heiratete er die am 31.8.1880 in Wien geborene Paula (Polina) Luttinger. Der Sohn Walter wird am 29.3.1903 in Wien geboren.
Während des I. Weltkriegs ist Isidor Sandbank als landsturmpflichtiger Zivilarzt im Reservespital Nr. 2, 1916 wird ihm das Ehrenzeichen zweiter Klasse vom roten Kreuz mit der Kriegsdekoration verliehen, 1918 das goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande der Tapferkeitsmedaille in Anerkennung vorzüglicher und aufopferungsvoller Leistungen im Sanitätsdienst im Kriege.
Isidor Sandbank engagierte sich in der zionistischen Bewegung in Wien. Davon zeugt ein Vortrag 1925 bei der dortigen zionistische Kulturgruppe.

 

 

Nach 1933

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich war Isidor Sandbank als Jude den Anfeindungen der Nationalsozialisten ausgesetzt. Die Regelungen für Juden im Deutschen Reich wurden rasch auf Österreich übertragen. Den niedergelassenen praktischen Ärzten und Fachärzten jüdischer Herkunft war es ab 1. Oktober 1938 untersagt, ihre ärztliche Tätigkeit auszuüben. Laut der Karteikarte der Ärztekammer Wien trat Isidor Sandbank am 8.9.1938 aus der österreichischen Ärztekammer aus.
Isidor und Paula Sandbank waren tschechische Staatsangehörige mit einem vom Generalkonsulat der tschechischen Republik in Wien am 22.3. 1936 ausgestellten Pass. Das Ehepaar Sandbank wird in den Polizeiakten in Nizza am 1. Oktober 1938 als in Frankreich gemeldet dokumentiert.

Polizeitakten Nizza Vorderseite. Quelle: Archives departementales Nice
Polizeitakten Nizza Vorderseite. Quelle: Archives departementales Nice
Polizeiakten Nizza Rückseite. Quelle: Archives Departementales Nice
Polizeiakten Nizza Rückseite. Quelle: Archives Departementales Nice

Ihre Nationalität wird als tschechisch angegeben, bei ihrem 1903 in Wien geborenen Sohn Walter, der wenige Tage später in Nizza eintrifft, deutsch. In der Folgezeit wechseln sie mehrfach ihren Wohnort, ab Oktober 1939 wohnen sie in Nizza in der Rue Guiglia 11.
Dem Sohn Walter gelingt es, ein Einreisevisum für die USA zu erhalten. Er kann mit dem Schiff SS Champlain von St. Nazaire am 19.5.1940 in die USA fliehen. Von dort versucht er mehrfach – leider vergeblich – seinen Eltern Geld zukommen zu lassen und ein Visum für sie zu ermöglichen.
Die beiden an der südöstlichen Mittelmeerküste Frankreichs gelegenen Departements sind von den italienischen Truppen besetzt, die die von den Nationalsozialisten im restlichen Frankreich durchgeführten Deportationen ab 1942 nicht umsetzen. In den Jahren 1942 und 1943 sind die Jüdischen Flüchtlinge und Bewohner in diesen Departements geschützt durch die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Frankreich, Deutschland und Italien. Nach der Absetzung Mussolinis und dem einseitigen Waffenstillstand Italiens mit den Westalliierten werden die beiden Departements allerdings sofort von deutschen Truppen besetzt. Umgehend beginnen die Deportationen der Juden, jedoch wenig bis nicht unterstützt von der französischen Polizei. So werden von den ca. 25 000 dort lebenden Juden weniger als 2000 deportiert. Viele der Jüdinnen und Juden werden von der Zivilbevölkerung in den kleinen Ortschaften unterstützt und versteckt.
Die GESTAPO verhaftet Isidor Sandbank und seine Frau Ende November 1943. Das Ehepaar wird von Nizza nach Drancy verbracht. Isidor und Paula Sandbank werden am 17.12.1943 mit dem Transport 63 nach Auschwitz deportiert. Dort wurden sie nach der Ankunft am 20.12.1943 ermordet.

Liste des Transports 63. Quelle: USHMM Washington
Liste des Transports 63. Quelle: USHMM Washington

Die Mauer der Namen: Ehepaar Sandbank 2. Zeile von unten. Shoah Memorial, Paris. Quelle: Findagrave.com
Die Mauer der Namen: Ehepaar Sandbank 2. Zeile von unten. Shoah Memorial, Paris. Quelle: Findagrave.com

Sandbanks Bruder Ascher (Kaufmann) wird im Adressbuch 1940 Wien noch aufgeführt. Er stirbt 1940 und wird im Grab seiner Eltern in Wien auf dem Zentralfriedhof beerdigt.

Im Reichanzeiger vom 3.Mai 1944 wird angezeigt, dass das Vermögen Isidor Sandbanks wegen des Verlustes der Protektoratsangehörigkeit vom 2. November 1942 verfällt. Dies betrifft die Villa Busch in Marienbad, in der Sandbank viele Jahre seine Praxis und Wohnung während der Sommermonate unterhielt.

Danksagung

Großen Dank gebührt Dr. Ulrike Denk MAS, Stellvertretende Leiterin Universitätsarchiv der Universität Wien, den MitarbeiterInnen des Wiener Stadt- und Landesarchivs und den MitarbeiterInnen des United Holocaust Memorial Museum, Washington, USA.
Für die Hinweise und Unterlagen zum Aufenthalt in Frankreich sei den MitarbeiterInnen der Archives departementales in Nizza und den Archives Memorial de la Shoah in Paris ganz besonders gedankt.

Beitrag von Dr. med. Cornelie Haag, Dresden. Stand 9.1.2025

 

 

 

Quellen:
Universitätsarchiv Wien

Archive of the Charles University, collection Registry books of the German University in Prague, inventory No. 3, Registry book of doctors of the German Charles-Ferdinand University in Prague/German University in Prague (1904–1924), page 848

Arolsen Archiv (Deportation)
Archives Mémorial de la Shoah, Paris
Archives departementales Nice (Polizeiakten)
Adressbuch Wien 1904
Neues Wiener Tagblatt vom 3.7.1916 (Ordensverleitung)
Wiener medizinische Wochenschrift 1918 Nr 15, Seite 678 (Ordensverleihung)
Wiener medizinische Wochenschrift 1901, Nr 51, Seite 2421 (Aufnahme balneologische Gesellschaft)
Wiener Morgenzeitung 17.1.1925 (Vortrag zionistische Kulturgruppe)
Wiener medizinische Wochenschrift 1937, Nr 24, Seite 660 (Ankündigung Marienbad)
United States Holocaust Memorial Museum, Washington USA (Enteignung, Deportation, Sohn Walter).
University of Mannheim Digital Library (Reichsanzeiger)
Ärztinnen und Ärzte ca. 1920 -1938. Ärztekammer Wien. Wiener Stadt- und Landesarchiv 2.10.2.K1.

Literatur:
Seibel, Wolfgang: Macht und Moral. Die „Endlösung der Judenfrage“ in Frankreich 1940 – 1944. Seite 215ff. Wilhelm Fink Verlag, München 2010

Weblinks
Registry book of doctors of the German Charles-Ferdinand University in Prague/German University in Prague (1904–1924) (cuni.cz)
www.geni.com
www.ancestry.de
www.myheritage.de
www.ushmm.org/de