Prof. Dr. med. Isidore Snapper
- 05.01.1889, Amsterdam
- 30.06.1973, New York
- Mitglied seit 1925
- Geflohen 1938, China
- Amsterdam
- Arzt für Innere Medizin
Isidore Snapper wurde am 5. Januar 1889 als 1. Kind in die jüdische Familie von David Snapper (1867-1927) und seiner Frau Helena, geb. Barends (1867-1935) in Amsterdam geboren. Der Vater, sowie auch der Großvater Isidore, Namensgeber des Enkels, arbeiteten als Diamantschleifer. Die Familie war Anfang des 19. Jahrhunderts, angezogen von den Möglichkeiten des Diamanthandels, aus Frankfurt-Rödelheim nach Amsterdam gezogen. Der schon in Rödelheim angenommene Name Snapper bezieht sich auf den üblichen Schneider- Beruf der Familienmitglieder.
Ausbildung und Wirkungsstätte
Familie, Ausbildung und berufliche Tätigkeit in den Niederlanden
Schon mit 16 Jahren schloss Snapper mit einem vorgezogenen Examen (u.a: Englisch, Deutsch, Französisch, Latein, und Griechisch!) das Stedelijk Barlaeus Gymnasium ab, um von 1905-1911 das Medizinstudium in Amsterdam zu absolvieren. Amsterdams damaliger Professor für Innere Medizin Pieter Klazes Pel (1852 – 1919, Pel-Ebstein Fieber beim Morbus Hodgkin) begründete das Interesse des jungen Studenten an Innerer Medizin. Durch seine Förderung erhielt er ein 6 monatiges Forschungsstipendium an der Imperial Cancer Research Foundation in London 1909, wo er zur Tumorvakzinierung durch Organextrakte an Mäusen forschte. Nach einer Phase, ähnlich dem heutigen „Praktischen Jahr“, legte Snapper am 6. Juli 1911 sein Abschlussexamen ab.
Isidore Snapper heiratete mit 22 Jahren am 1.12.1911 die zum Protestantismus übergetretene Kaufmannstochter Henriëtta Maria Jacqueline van Buuren. Dies bedeutete einen deutlichen sozialen Aufstieg des Bräutigams. Zwischen 1912 und 1917 wurden die Kinder Frits, Ernst und Tochter Els geboren.
Seine berufliche Laufbahn begann Snapper 1912 in Groningen als Assistent des berühmten Hartog Jakob Hamburger (1859 – 1924), Professor für Physiologie und physiologische Chemie, der die physiologische Kochsalzlösung 0,9% definiert hatte. Er wurde dort 1913 mit einer Arbeit zum Chlormetabolismus bei humaner Lobärpneumonie mit Auszeichnung promoviert. Bis 1917 wurde er dann wiederholt dem Labor des Groninger Professors für Innere Medizin Abraham Albert Hijmans van den Bergh (1869-1943) zugeteilt. Gemeinsam konnten beide die (Patho)-Physiologie des freien sowie des konjugierten Bilirubins aufklären.
Seinen wohl wichtigsten Lehrer, mit dem er darüber hinaus zu der im Nordosten Hollands endemischen Echinokokkose, zu Porphyrien und zu Stuhluntersuchungen auf occultes Blut publizierte, beschrieb der aufstrebende Schüler als stets ausgleichend, mitunter aber auch konfliktscheu.
Als van den Bergh 1917 Groningen in Richtung Utrecht verließ, wollte sich Snapper mit 28 Jahren nicht mehr einem neu zu ernennenden Professor unterordnen, weshalb er nach Amsterdam wechselte als außerordentlicher Assistent in der Abteilung seines frühen Förderers Pieter Klazes Pel, der bereits 1919 verstarb. Am 4.6.1919 mit nur 30 Jahren wurde Isidore Snapper zum Direktor der propädeutisch-medizinischen Abteilung der Universität Amsterdam ernannt.
Die Abteilung bestand aus einer Klinik mit 60 Betten und einem großen experimentellen Labor. In seiner Antrittsvorlesung am 22.9.1919 zum Thema „Vor- und Nachteile neuer Strömungen in Labor und Klinik“ sieht sich Snapper als internistischer Generalist und bekennt sich wie Zeit seines Lebens zur „Bed-side-medicine“ sowie zum fortwährenden Austausch mit der biochemischen Laboratoriumsmedizin. Vom Wilhelmina Gasthuis aus, dem 2. Amsterdamer Lehrkrankenhaus, prägt er die niederländische und Amsterdamer Medizin in der Zwischenkriegszeit.
Wissenschaftlich widmete er sich vor allem dem Nieren-, Knochen- und Nebenschilddrüsenmetabolismus, aber auch den Blut- und Lebererkrankungen sowie dem Diabetes mellitus.
Mitglied der (D)GVS wird Snapper 1925. Regelmäßig berichtet er in niederländischen Zeitschriften von den (D)GVS-Tagungen und richtet mit Abraham van den Bergh und Leonard Polak Daniels den (D)GVS-Kongress 1928 in Amsterdam aus.
Bemerkenswert ist, dass der junge, international renommierte Medizinprofessor noch Zeit fand für regelmäßige Einsätze als Fußballschiedsrichter auf nationaler und internationaler Ebene. Er tat dies zum einen zum sportlichen Ausgleich, zum anderen aber, wie er seinem Sohn berichtete, um sich immer wieder zu erden. Er benötige die auf ihn gerichteten Schreie und Beleidigungen, um bescheiden und immun gegen zu viel Ehrerbietung im Krankenhaus zu bleiben.
Nach 1933
Emigration und Arbeit in China
Lange fühlte sich die niederländische Gesellschaft aufgrund der Erfahrungen des 1. Weltkieges sicher, Menschen, die eine deutsche Besatzung fürchteten oder gar auswanderten, wurde mangelnder Patriotismus vorgeworfen. Snapper riet schon früh Kollegen aus Deutschland und Österreich ab, Schutz in den Niederlanden zu suchen, da er für sein Land ebenso eine Besatzung erwartete. Mit der Annexion Österreichs durch Deutschland suchten Hetty und Isidore Snapper aktiv eine Anstellung in den Vereinigten Staaten.
Durch Snappers Überlegungen zur medizinischen Lehre als bed-side-medical-education, war er schon in den frühen 20-er Jahren in Kontakt mit der diese Propädeutik stark unterstützenden US- amerikanischen Rockefeller Stiftung gekommen. In New York konnte er bereits im Frühjahr ´38 einen Vertrag als Direktor der medizinischen Klinik des Beijing Union Medical College, finanziert durch die Rockefeller Stiftung, unterzeichnen. Snapper ließ sich beurlauben und Ende 1938 erreichte das Ehepaar Snapper über Southampton, New York, Vancouver und Japan die schon von den Japanern besetzte, chinesische Hauptstadt. Offiziell wurde Snapper erst am 1.9.40, fast 4 Monate nach dem deutschen Überfall der Benelux-Länder aus seinem Amt in Amsterdam entfernt.
Seinen Sohn Ernst drängte Snapper erfolgreich zu einem ebenfalls über die Rockefeller Verbindungen ermöglichten Studium der Mathematik in Princeton. Die Tochter Els war schon 3 Monate zuvor in die USA ausgewandert. Der älteste Sohn Frits, ein Reserveoffizier, blieb in den Niederlanden und flüchtete nach der Besetzung zu Fuß nach Norditalien, wo er aus einem Gefängnis ausbrach und bis zum Ende des Krieges bei italienischen Partisanen überlebte.
Die große Weitsicht seiner Lebensplanung bezüglich der Kleinfamilie wird unterstrichen durch das Schicksal der Mehrheit der restlichen Familie.
Snappers Schwester Betsy Vromen-Snapper, die stellvertretende Direktorin des jüdischen Mädchen- Waisenhauses Rapenburgerstraat gehörte zu den 283 SS „Austauschjuden“, die 1944 von Bergen-Belsen aus gegen die letzten verblendeten Nazi Templer nach Haifa ausgetauscht wurden.
Vier Schwestern der Mutter Snappers starben in Konzentrationslagern, nur eine seiner Tanten überlebte, vier weitere Geschwister waren vor dem Krieg gestorben.
Die Mutter von Snappers Frau Hetty, wurde 1943 in Sobibor ermordet, der Vater war zuvor bereits verstorben.
4 Geschwister des vor dem Krieg verstorbenen Vaters von Snapper starben im Ghetto oder in Konzentrationslagern.
Der Pharmakologe Ernst Laqueur, der Freund aus Groninger und Amsterdamer Tagen, überlebte den Holocaust. Laqueurs Tochter Gerda und deren Ehemann Felix Österreicher starben in Tröbitz nach der Befreiung aus dem Todeszug aus Bergen Belsen an Typhus. Die Tochter Renata Laqueur-Weiss überlebte.
In Beijing setzte sich Snapper mit durch Mangelernährung verursachten Erkrankungen wie z.B. Rachitis und Beri – Beri auseinander und konnte sie häufig auf bestimmte Lebensumstände und -gewohnheiten zurückführen. Großen Raum nahmen immer wieder auf die Leber bezogene Infektionskrankheiten, wie Typhus, Amöbiasis, Schistosomiasis, Hepatitis, Cholera, Clonorchis (chinesicher Leberegel), aber auch Kala Alzar und Tuberkulose ein. Die im Westen damals noch nicht vollständig akzeptierte Erkenntnis, dass Arteriosklerose durch Cholesterin verursacht ist und in unterernährten Bevölkerungen nicht vorkommt, beschäftigte Snapper. Das Fehlen von Phlebitiden und Thrombosen in China führte er auf einen Mangel an Phospholipiden wie Cephalin in der vegetarischen Ernährung zurück. Sozialpolitisch wach erkennt er, dass der Opium- Erlös eines Eherings die Ursache für die hohe Suizidrate chinesischer Schwiegertöchter war.
Im 2. Halbjahr 1941 erfolgte eine zunehmende Repatriierung US-amerikanischer Staatsangehöriger. Keine Möglichkeit ergab sich bei Staatenlosigkeit, einem Zustand worunter Snapper weit bis in die 50 er Jahre sehr litt. Snappers Internierung vom 7.12.41 (Pearl Harbour-Day) wurde am 24.12.41 in Militärgewahrsam umgewandelt, wodurch er eingeschränkt medizinisch tätig bleiben konnte. Im Juli 1942, nach 8 Monaten, wurde Snapper in einer japanisch-britisch/niederländischen Austauschaktion über das neutrale, afrikanisch-portugiesische Lorenzo Marquez (heute Maputo, Mosambik) nach Liverpool ausgetauscht.
Berufliche Tätigkeit in den USA
Erneut mit Unterstützung der Rockefeller Foundation gelangte Snapper über Glasgow und Halifax an Bord der Queen Elizabeth nach Washington, wo er als Berater des Pentagons von 1942 bis 44 unter FBI Aufsicht Dossiers über die (Tropen-)medizinische Situation in europäischen, asiatischen und afrikanischen Ländern anfertigte, um z.B. die nötigen Medikamente bei Besetzung durch die US-Armee bereithalten zu können. Mit seiner umfangreichen Buch-Publikation „Chinese Lessons to Western Medicine“, New York 1941, hatte er sich hierfür empfohlen.
Im Jahr 1944 wurde Snapper als Nachfolger von Eli Moschcowitz zum Direktor der 2. Medizinischen Klinik des Mount Sinai Hospitals in New York ernannt und erhielt zusätzlich ein großes Routine- und experimentelles Labor. Schwerpunkte seiner Arbeit waren der renale Metabolismus und die Leberfunktionstestung (Snapper-Saltzmann-Test), das Multiple Myelom in Diagnostik und Therapie, der Metabolismus der Acetylsalicylsäure und die Tuberöse Sklerose.
Aufgrund von Auseinandersetzungen mit der Krankenhausleitung in New York wechselte Snapper 1952 auf Anregung seines Freundes, des Pathologen Hans Popper (24.11.1903- 6.6.1988) an das Cook County Hospital in Chicago, ein Haus mit 3000 Betten. Snapper war beeindruckt von den vielen verschiedenen und seltenen Krankheitsbildern, die er hier sah und auf legendären und gut besuchten klinisch- pathologischen Konferenzen mit seinem Freund Popper diskutieren konnte. Wichtiger fand er aber Zeit seines Lebens die früh einsetzende Bed-side Diagnostik. Siehe hierzu auch sein mit Alwin Kahn herausgegebenes 824 Seiten umfassendes Standardwerk „Bedside Medicine“ von 1967.
Vermutlich aufgrund des heißen Kontinentalklimas in Chicago wechselte Snapper bereits 1953 an das Beth-El Hospital zurück nach Brooklyn, NY.
Aufgrund der im Vertrag fixierten starken Stellung gegenüber Geschäftsführung und privaten Belegern, entschied sich Snapper für dieses kleinere, wenig bekannte Krankenhaus. Zusammen mit dem Chirurgen Dr. Neuhof und dem Laborleiter Richard Greenblatt gelang es ihm, das Krankenhaus immer bekannter zu machen. Entsprechend seiner Überzeugungen hob er die klinische Ausbildung am Krankenhaus auf eine neue Ebene.
Die Verbindung zur alten Heimat hatte Snapper nie verloren, seinen 80. Geburtstag feierte er im Januar 1969 mit europäischen Weggefährten in Amsterdam.
Am 30.6.1973 verstarb Isidore Snapper in New York. Am 1. Juli würdigte ein Nachruf in der New York Times den „Educator, Researcher and Lecturer“.
Betrag von Dr. med. Tilmann Deist, Aschaffenburg. Stand 19.2.2025
Quellen und Literatur
zu den Quellen








