Dr. med. Ludwig Heine
- 15.01.1876, Berlin
- 03.08.1960, Great Neck, Long Island, New York
- Mitglied seit 1926
- Geflohen 1936, USA
- Berlin
- Facharzt für Innere Medizin und Kinderheilkunde
Ludwig Heine wurde am 15. 1. 1876 in Berlin als Sohn des Kaufmanns Max Heine und dessen Ehefrau Emilie, geb. Jacobson geboren. Die Familie bekannte sich zur jüdischen Glaubensgemeinschaft.
Ausbildung und Wirkungsstätte
Ludwig Heine legte 1894 am Königlichen Wilhelms-Gymnasium Berlin in der Bellevue-Straße im heutigen Bezirk Tiergarten die Reifeprüfung ab. Danach studierte er Medizin in München, Berlin und in Freiburg. 1899 absolvierte er das medizinische Staatsexamen. Im gleichen Jahr wurde er an der Freiburger Universität mit der Arbeit „Multiple Magengeschwüre bei Tuberkulose“ promoviert und erhielt die ärztliche Approbation. Die Dissertation hatte Heine bei den Freiburger Pathologen Ernst Ziegler und Clemens von Kahden angefertigt.
Dem Studium folgten ein einjähriger freiwilliger Militärdienst und eine Tätigkeit als Assistenzarzt an Berliner Städtischen Krankenhäusern. Vorübergehend war er Hospitant und später Mitarbeiter in Hugo Neumanns Berliner „Kinderhaus“, einer 1887 gegründeten Poliklinik für arme Kinder, die sich seit 1897 in der Berliner Blumenstrasse befand. Die Poliklinik war ein frühes spezialisiertes Versorgungszentrum mit verschiedenen Fachabteilungen in einer Zeit, als es kaum Behandlungseinrichtungen für Kinder gab (vgl. G. Kirchner, Dr. Hugo Neumann, Ein Pionier der sozialen Kinderheilkunde). Zunächst arbeitete Heine seit 1906 als praktischer Arzt. Seit 1912 führte Ludwig Heine über 24 Jahre eine eigne Kinderarzt-Praxis in der Brandenburgischen Strasse 21 in Berlin-Wilmersdorf. Im Reichsmedizinalkalender 1914 ist Heine als Spezialarzt für Innere Medizin und Kinderheilkunde aufgeführt.
1909 heiratete er die 1879 geborene Minna Simson, die aus der Fabrikanten-Familie Gerson und Jeanette Simson in Suhl, Thüringen, stammte. Gerson Simson war Mitbesitzer der „Simson Werke Suhl“ [die 1856 gegründete Firma „Simson & Co“ entwickelte sich rasch zu den bedeutenden „Simson Werken“, die seit 1933/34 entschädigungslos enteignet, „arisiert“ und der NSDAP unterstellt wurden. Nach 1945 fanden die Werke in der DDR unter anderer Firmenbezeichnung eine Fortführung, als kleiner Teil der Werke bestand eine „Motorrad Simson GmbH“ bis 2002].
Ludwig und Minna Heines Sohn Max Ludwig kam am 2.11.1910 in Berlin-Wilmersdorf zur Welt, die Tochter Ilse Irene Heine wurde am 12.2.1918 geboren.
Am Ersten Weltkrieg nahm Ludwig Heine aktiv vom August 1914 bis zum November 1918 als Stabsarzt teil.
Nach 1933
Mit dem Beginn der NS-Diktatur veränderte sich die Lebenssituation der Familie fundamental. Sie war den antijüdischen Maßnahmen durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Ludwig Heine erlebte am 1. April 1933 den Boykott der jüdischen ärztlichen Praxen sowie der jüdischen Geschäfte.
Die Tochter Ilse Heine litt unter den antisemitischen Anfeindungen in der Schule. Der Sohn Max Ludwig Heine konnte das begonnene Jurastudium nicht fortsetzen und entschloss sich zur Flucht. 23-jährig verließ er Deutschland Ende 1933 und erreichte über Frankreich von Cherbourg aus gemeinsam mit seiner Ehefrau Lotte am 9. 1. 1934 New York.
Das Ehepaar Heine reiste gemeinsam mit der Tochter erstmals im August / September 1935 mit einem Transitvisum von Hamburg aus mit der S.S. St. Louis in die USA und bereitete nach ihrer Rückkehr nach Deutschland ihre endgültige Flucht in die USA vor.
Die 18-jährigeTochter Ilse Irene Heine gelangte im März 1936 von Hamburg aus mit der S.S. Washington in die USA. Sie erreichte New York am 2. 4. 1936. Ihr Vater hatte sie von Berlin nach Hamburg begleitet. Ilse Heine begann ein Studium am Swarthmore College unweit Philadelphias. 1940 heiratete sie den aus Frankfurt stammenden Frederick Siegfried Baum.
Ludwig und Minna Heine verließen Berlin im Sommer 1936. Von Le Havre aus gelangten sie mit der S.S. Manhattan am 11.6.1936 nach New York. Sie fanden in New York in Richmond Hill, Queens, eine Unterkunft. Der 59-jährige Ludwig Heine war zunächst ohne Einkommen. Er musste in den USA Sprachprüfungen und das amerikanische Staatsexamen ablegen. Seit 1937 fand er – 60-jährig – als Kinderarzt in der Schulbehörde von New Yorker City eine Anstellung. Später wurde er dort leitender Schularzt (Chief of Pediatrics for New York City School System). Er versuchte nicht mehr, eine Privatpraxis zu gründen.
Ludwig Heine starb 84-jährig am 3. 8. 1960 an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine Grabstätte findet sich auf dem Mount Hope Cemetery, Hastings-on-Hudson / Greenburgh, Westchester County, New York. Seine Ehefrau Minna Heine-Simson starb im September 1975.
Der 1910 geborene Sohn Max Ludwig Heine verstarb 1988. Die Tochter Ilse Heine-Baum starb im März 2010 in New York. Ihre Grabstätten finden sich auf jenem Friedhof, auf dem auch ihre Eltern ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Ludwig Heines Schwester, die in Berlin lebende 1879 geborene Alice Heine-Bennigson wurde gemeinsam mit ihrer Tochter Ursula Bennigson am 30.6.1943 aus Berlin in das Ghetto Theresienstadt deportiert. Alice Bennigson wurde in den sogenannten Herbsttransporten am 23. 10. 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und dort nach der Ankunft ermordet. Heines Nichte, die 26-jährige Ursula Bennigson starb im September 1943 unter den Ghetto Bedingungen in Theresienstadt.
Danksagung
Wir sind Ludwig Heines Enkelkindern, Doris Grunwald und Dennis Baum, USA, für den Kontakt, die ergänzenden Informationen und für die wertvollen Fotografien zu sehr großem Dank verpflichtet. Sie waren für uns in besonderer Weise außerordentlich hilfreich.
Beitrag von
Dr. med. Marc Karliova, Berlin
Dr. med. Harro Jenss, Worpswede
Stand 3.11.2024
Quellen:
Heine L. Ueber multiple Magengeschwüre bei Tuberkulose. Med. Dissertation, Universität Freiburg. Bayerische Staatsbibliothek München (BSB), Sign. Diss. med. 323-42
Landesbehörde für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten, LABO, Entschädigungsbehörde, Entschädigungsakte, Reg. Nr. 60 392 [Dr. med. Ludwig Heine, geb. 15.1.1876 in Berlin]
Aufbau (New York) 1960; 26, Nr 33, vom 12.8.1960, S. 32 [Todesanzeige Dr. med. Ludwig Heine].
Literatur
Seidler E. Jüdische Kinderärzte 1933 – 1945. Entrechtet/Geflohen/Ermordet. Freiburg und Basel, S. Karger Verlag für Medizin und Naturwissenschaften, Erweiterte Neuauflage 2007, S. 158 – 159
Kirchner G. Dr. Hugo Neumann. „Sein ganzes Leben war eine Mizwah“ – Ein Pionier der sozialen Kinderheilkunde. Teetz und Berlin, Hentrich & Hentrich Verlag, 2008
Schulz U. Simson. Vom unwahrscheinlichen Überleben eines Unternehmens 1856 – 1993. Göttingen: Wallstein Verlag 2013.
Weblinks
www.familysearch.org , United States Deceased Physician File (AMA), 1864 – 1968, Stand 10.6.2024
www.ancestry.de, www.familysearch.org , www.findagrave.de
https://collections.yadvashem.org/en/names/4864187 [Alice Bennigson nee Heine, geb. 1879 in Berlin], Stand 10.6.2024
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/5654-alice-bennigson/ , Stand 10.6.2024
https://www.holocaust.cz/de/opferdatenbank/opfer/5656-ursula-bennigson/ , Stand 10.6.2024
Quellen und Literatur
zu den Quellen










