Dr. med. Siegfried Plaschkes
- 04.07.1886, St. Pölten, Österreich
- 10.06.1964, Tel Aviv, Israel
- Mitglied seit 1930
- Geflohen 1938, Palästina
- Wien
- Facharzt für Magen-, Darm- und innere Krankheiten
Siegfried Plaschkes wurde am 4.7.1886 in St. Pölten als Sohn des Pferdehändlers Hermann Tzvi Plaschkes (1858 bis 1935) und Rosa Plaschkes geb. Toch (1856 bis 1925) geboren. Er wuchs mit 4 Geschwistern in St. Pölten und Wien auf. Die Familie Plaschkes war sehr engagiert in der jüdischen Gemeinde und vertrat Ziele des Zionismus. Sein Vater war als jüdisch-nationaler Bezirksrats der Leopoldstadt politisch aktiv. Seine Brüder Leopold und Jakob flohen wie er nach Palästina, 2 seiner Geschwister (Angela und Samuel) starben im Kindesalter.
Siegfried Plaschkes legte die Matura am k.k. Erzherzog Rainer-Gymnasium im 2. Wiener Bezirk ab und studierte vom Wintersemester 1905/06 bis Sommersemester 1910 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Im Sommersemester 1907 bezog er ein Johann K. Seyfertsches Stipendium. Die Rigorosen absolvierte er am 31.1.1908, 25.10.1910 und 20.1.1911. Am 27.1.1911 wurde er zum Dr. med. promoviert.
Ausbildung und Wirkungsstätte
Bereits als Student engagierte er sich für den Zionismus und gründete gemeinsam mit Dr. Alfred Löwi die Vereinigung jüdischer Ärzte in Wien. Seine Ausbildung erhielt Siegfried Plaschkes am Allgemeinen Wiener Krankenhaus und als Assistenzarzt in der Wiener Poliklinik bei Julius Mannaberg. Gemeinsam mit Heinrich Schur publizierte er aus der Abteilung für experimentelle Pathologie über die Pneumothoraxbehandlung bei Tuberkulose.
Er war Assistent in der 1. Medizinischen Abteilung des Krankenhauses der Wiener Kaufmannschaft als er 1914 einberufen wurde. Zunächst in Serbien eingesetzt, wurde er ab 1915 der k.u.k. 5. Armee (Isonzoarmee) zugeteilt. Er erhielt am 5.1.1915 das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone am Bande, am 30.4.1916 erhielt er den Rang eines Oberarztes. Im Herbst 1916 wurde er im mobilen Reserve-Spital der Isonzoarmee eingesetzt, das er zu einer „auf modernstem Niveau stehenden Heilanstalt hauptsächlich für Magen- und Darmkrankheiten“ aufbaute (Rutkowski: Dr. Siegfried Plaschkes – Arzt im Weltkrieg 1914-1918). Seine Erfahrungen fasste er 1918 in der Publikation „Klinisch-experimentelle Untersuchungen über die Aetiolgoie der Kriegsgastritis“ zusammen. Am 26.6.1917 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph Ordens.
Nach dem Krieg etablierte er sich als Facharzt für Innere Medizin. Er arbeitete weiter mit Heinrich Schur im Allgemeinen Krankenhaus der Kaufmannschaft und mit Julius Mannaberg in der Wiener Poliklinik und publizierte 1928 über Mastdarmpolypen. Der Zeitpunkt seiner Niederlassung ist nicht genau bekannt, publikatorisch war er auch danach weiter tätig (Fallbericht über das Mesenterium ileocolicum commune 1931).
Am 14.8.1924 heiratete er Hedwig Pisk, geb. Landgraf, (geb. 25.4.1894), die Witwe von Oskar Pisk, die die Tochter Lisbeth geb. 1919 mit in die Ehe brachte. Der gemeinsame Sohn Johann wurde am 18.1.1926 geboren, er wurde ebenfalls Arzt und starb 1984.
Siegfried Plaschkes engagierte sich in zahlreichen jüdischen und zionistischen Verbänden. So war er Vorsitzender des Jüdischen NationalFonds (Keren Kayemeth Lejisrael) in Wien, Vorsitzender des Jüdischen Ärzte-Verbandes, Mitglied der OSE- (Oeuvre de secours aux enfants) Leitung einer gemeinnützigen Organisation, die sich dem Schutz kranker jüdischer Kinder widmete. Zudem war er Mitglied des Wiener Ärzteverbandes.
Er gehörte dem Vorstand der „Vereinigung jüdischer Ärzte in Wien“ an und vertrat ihn bei den Tagungen des „Weltverbandes jüdischer Ärzte“. Beim Kongress in Paris 1937 initiierte er eine Hilfsaktion für die Fortbildung im Rothschildhospital (Spital der israelitischen Kultusgemeinde) in Wien für junge jüdische Ärzte, die bei dem aufkommenden Antisemitismus in ihrer Heimat keine andere Fortbildungsmöglichkeit hatten, insbesondere Ärzte aus dem Osten z.B. Polen. Er war Arzt der gastgewerblichen Arbeiterschaft, die ihm am 27.4.1938 kündigte.
Nach 1933
Bereits vor dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 litten die Juden und Jüdinnen in Österreich unter einem zunehmenden Antisemitismus. Durch sein großes Engagement in der jüdischen Gemeinde und Ärzteschaft war Siegfried Plaschkes stark konfrontiert mit den Problemen seiner Mitbürger. Nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht in Österreich im März 1938 wurde er Leiter der Ärzteberatungsstelle der Israelitischen Kultusgemeinde.
Am 23.9.1938 floh er mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern nach Palästina, das er von früheren Besuchen bereits kannte. 1925 hielt er sich zur Eröffnung der Hebräischen Universität, 1935 als Tourist und 1936 als Delegierter Österreichs beim ersten Weltkongress jüdischer Ärzte in Palästina auf. Er ließ sich in Tel Aviv, 21 Sirkinstreet, als Internist nieder und war einer der ersten, der eine Röntgenanlage in privater Praxis besaß und als Magen-Darmspezialist Anerkennung fand. Auch in Palästina setzte er seine medizinisch-publikatorische Arbeit fort mit einem 1948 in Gastroenterologia erschienen Artikel über die „Vagusresektion als Ulcusoperation“.
In Palästina hielt Siegfried Plaschkes an seinem sozialen Engagement fest als Mitglied des israelischen Ärzteverbands, als Vorstand des Verbandes der Einwanderer Österreichs (Hithachdut Oleg Austria) und repräsentierte die Einwanderer aus Österreich im Verband der mitteleuropäischen Einwanderer (Irgun Olej Merkas Eruropa), im Council of Jews from Austria und als Mitglied des Präsidiums des Solidaritätswerkes. Zudem war Mitglied des Landespräsidiums der Gesellschaft Israel-Österreich, die sich um die Beziehungen zwischen Israel und Österreich bemühte.
Siegfried Plaschkes beschäftigte sich mit der Medizingeschichte, war Ausschussmitglied der Gesellschaft für die Geschichte der Medizin und Naturwissenschaft und publizierte zahlreiche Artikel. Er legte eine umfangreiche, wertvolle Sammlung von historischen Dokumenten, Medaillen und medizinischen Geräten an, die der Grundstock des 1957 eröffneten israelischen medizinischen Museums bildeten. Noch kurz vor seinem Tode reichte er ein Manuskript für die Zeitschrift für die Geschichte der Juden ein, in dem er die Jüdischen Ärzte in Österreich seit dem 13. Jh. porträtierte, u.a. würdigt er Ernst Peter Pick, Otto Loewi, Hermann Schlesinger, Maximilian Weinberger, Heinrich Schur, Julius Donath, Albert Herz, Otto Porges, Richard und Julius Bauer, Adolf Edelmann und Gottwald Schwarz – sie alle waren übrigens Mitglieder unserer früheren Fachgesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten.
Am 10.6.1964 (eine andere Quelle nennt den 10.8.1964) starb Siegfried Plaschkes in Tel Aviv und wurde auf dem Nahalat Yitshak Cemetery, Tel Aviv beerdigt.
Siegfrieds zwei Jahre älterer Bruder Leopold Plaschkes studierte Jura und war als Rechtsanwalt in Wien niedergelassen. Er engagierte sich im zionistisch orientierten Teil der Wiener jüdischen Gemeinde, wurde Obmann für Rechtsschutz im Zionistischen Volksverein und gehörte von 1919 bis 1928 dem Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde an. Er war viele Jahre Mitglied des Wiener Gemeinderats. Er gründete den Verband demokratischer Zionisten (später Verband radikaler Zionisten) mit, der 1935 in den Weltverband Allgemeine Zionisten von Nachum Goldmann aufgenommen wurde. Nach dem Anschluss Österreichs führte er die nun illegalen Geschäfte der israelitischen Kultusgemeinde fort, floh im Herbst 1938 nach Palästina und starb dort 1942.
Danksagung
Großen Dank gebührt Dr. Ulrike Denk MAS, Stellvertretende Leiterin Universitätsarchiv der Universität Wien, den MitarbeiterInnen des Wiener Stadt- und Landesarchivs und des Österreichischen Staatsarchivs in Wien.
Beitrag von Dr. med. Cornelie Haag, Dresden. Stand 7.5.2025
Quellen und Literatur
zu den Quellen








