Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Alfred Sallo (Salomon) Ledermann
1889 - 1964

Dr. med. Alfred Sallo Ledermann, 1920er Jahre <br> © Familienarchiv Kampmann
Dr. med. Alfred Sallo Ledermann, 1920er Jahre
© Familienarchiv Kampmann

Mitglied seit 1931

Erste Niederlassung als Landarzt in Brüssow, Uckermark 1925

Erfolgreiche Praxis als Gastroenterologe in Köln seit 1931

Sallo Ledermann in seiner Praxis in Köln © Familienarchiv Kampmann
Sallo Ledermann in seiner Praxis in Köln © Familienarchiv Kampmann
Sallo, Annemarie und Inge Ledermann, 1930er Jahre <br> © Familienarchiv Kampmann
Sallo, Annemarie und Inge Ledermann, 1930er Jahre
© Familienarchiv Kampmann
Grabstätte Ehepaare Cohnstädt und Ledermann, Südfriedhof Köln, <br> Foto: Sabine Kampmann 2023
Grabstätte Ehepaare Cohnstädt und Ledermann, Südfriedhof Köln,
Foto: Sabine Kampmann 2023

Dr. med. Alfred Sallo (Salomon) Ledermann

  • 0‌9‌.‌0‌8‌.‌1‌8‌8‌9‌, Kassel
  • 2‌1‌.‌0‌9‌.‌1‌9‌6‌4‌, Salisbury, Maryland, USA
  • Mitglied seit 1931
  • Geflohen 1938, USA
  • Köln
  • Niedergelassener Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten

„Ich wurde am 9. August 1889 als Sohn des Kaufmanns Louis Ledermann und seiner verstorbenen Ehefrau Jenny, geb. Biermann, zu Cassel geboren. Ich besuchte das Realgymnasium [seit 1956 Albert Schweitzer Schule, Anm. H Je] meiner Vaterstadt und verliess dasselbe Oktober 1907 mit dem Zeugnis der Reife. Alsdann studierte ich an den Universitäten München, Würzburg, Göttingen, Berlin, Gießen und Rostock Medizin. Die ärztliche Vorprüfung bestand ich Ende Sommersemester 1917 zu Rostock. Die ärztliche Staatsprüfung beendete ich am 14. Juni 1920 vor der Prüfungskommission zu Rostock. Die Approbation als Arzt erhielt ich am 24. Juni 1920, nachdem mir das praktische Jahr erlassen war. Meiner aktiven Militärpflicht genügte ich vom 1. Oktober 1913 bis 1. April 1914 beim Grosshzgl. Leibgarde-Inf.-Reg. Nr. 115 zu Darmstadt. Am Weltkriege nahm ich während der ganzen Dauer desselben im Sanitätsdienst teil“, so Ledermann im Lebenslauf seiner Dissertationsschrift. Die Familie Ledermann stammte aus dem nordbadischen Heidelsheim, einem Stadtteil Bruchsals, bekannte sich zur jüdischen Glaubensgemeinschaft und wohnte in Kassel in der Spohrstrasse 91/2. Ledermanns Lebenslauf bis 1920 zeigt eindrücklich die Verzögerung seines Medizinstudiums durch Militärpflicht und Ersten Weltkrieg.

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Am 23.07.1920 wurde Ledermann an der Rostocker Universität mit der Arbeit „Ein Beitrag zur Frage nach der Ausscheidung der Krappfarbstoffe durch den Harn“ promoviert. Die Arbeit hatte er in der physiologisch-chemischen Abteilung des Universitätsinstituts für Physiologie bei Friedrich Karl von Krüger angefertigt.

Die ersten Stationen seiner klinischen Ausbildung sind bisher unbekannt. Seit 1925 wohnte und praktizierte Ledermann als Landarzt in Brüssow im Kreis Prenzlau/Brandenburg, in der Stettiner Str. 37. Im März 1925 heiratete er die aus Erfurt stammende Arzttochter Annemarie Cohnstädt, die zwei Söhne mit in die Ehe brachte. Im Januar 1926 wurde die Tochter Ingeborg Martha (Inge) geboren. Aus Brüssow wechselte Ledermann nach Köln an die Medizinische Universitätsklinik zu dem damals bekannten Internisten Friedrich Moritz. Hier erhielt er eine Facharztausbildung und erlangte eine weitere Spezialisierung.  Seit dem 04.01.1931 führte Alfred Sallo Ledermann eine sehr erfolgreiche Praxis als niedergelassener Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten in Köln am Hohenzollernring 11. Seit 1934 wohnte die Familie zusammen mit den Schwiegereltern Cohnstädt in der Wildenburgstraße 1 in Köln-Lindenthal.  

 

Flucht in die USA 1938

Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten war Ledermann seit dem Frühjahr 1933 den antijüdischen Maßnahmen der neuen Machthaber ausgesetzt. Er verlor seine Kassenzulassung. Mit dem 30.09.1938 entzogen ihm die NS-Behörden die Approbation als Arzt. Mit der erzwungenen Praxisaufgabe verlor Ledermann endgültig seine Existenzgrundlage. Am 02.11.1938 , eine Woche vor der „Reichskristallnacht“, gelang Alfred S. Ledermann mit seiner Ehefrau Annemarie und der 12-jährigen Tochter Inge die Flucht aus Deutschland. Mit der S.S. Washington erreichte die Familie von Hamburg aus New York am 10.11.1938. Die beiden Söhne sowie die jüdischen Schwiegereltern mussten sie in Köln zurücklassen. Nur den jüngeren Sohn und Bruder sollte die Familie Ledermann nach dem Krieg wiedersehen.

Nach Sprachkursen und Absolvieren des amerikanischen Staatsexamens konnte der 49-jährige Ledermann in den ersten zehn Jahren nach der Flucht aus Deutschland in Baltimore, Maryland, ärztlich tätig sein. Aufgrund der begrenzten Lizenz zur Ausübung des ärztlichen Berufes und der bestehenden Verhältnisse musste er seine bisher gastroenterologisch ausgerichtete internistische Tätigkeit aufgeben. Er wechselte in das Fachgebiet Psychiatrie. 1939/40 gehörte er zum Visiting Staff am Seton Psychiatric Institute, einem Hospital in der City von Baltimore. Danach arbeitete er in der Abteilung Psychiatrie der Veterans Administration ebenfalls in Baltimore.

Wegen einer Erkrankung seiner Ehefrau übersiedelte das Ehepaar 1949 nach Arizona. Seit dem 23.04.1949 war Ledermann in Phoenix im Arizona State Hospital for the Insane [heute Arizona State Hospital] tätig und unterrichtete am Arizona State College. Ein Jahr später kehrte Ledermann mit seiner Ehefrau zurück nach Maryland. Im Eastern Shore State Hospital in Cambridge/Maryland wurde er Senior Psychiatrist. Im November 1952 eröffnete er eine Praxis für Psychiatrie und Psychosomatische Medizin in Salisbury/Maryland. Seit 1955 leitete Ledermann zudem die Abteilung Psychiatrie am Peninsula General Hospital in Salisbury. An der University of Maryland Medical School, Baltimore, erhielt er einen Lehrauftrag für sein neues Fachgebiet. Ledermann war Mitglied der American Medical Association und der Wicomico County Medical Society.

Alfred Sallo (Salomon) Ledermann starb 75-jährig am 21.09.1964 in Salisbury/Wicomico County, Maryland. “Mein Stiefvater, der seine tiefe Liebe zu Deutschland ebenso wie im Englischen seinen liebenswerten deutschen Akzent nie verbergen konnte, der am glücklichsten bei deutscher Musik oder im Kreise seiner “Schlaraffia” war, hat – und ich glaube gewollt – sein Geburtsland nicht wiedergesehen”, wird  Jahre später der einzig überlebende Stiefsohn in seinen Memoiren schreiben.

Seine Urne sowie jene seiner 1965 verstorbenen Ehefrau Annemarie wurden auf dem Kölner Südfriedhof im Familiengrab der Cohnstädts bestattet. Die Grabstätte ist erhalten. Die Mutter seiner Ehefrau hatte sich 1942 das Leben genommen, um der Deportation zu entgehen. Der ältere Stiefsohn starb 1944 bei einem Fahrradunfall, die Tochter Inge Ledermann-Duquette starb 1988 in den USA.

Sallo Ledermanns jüngerer Bruder Norbert Ledermann, Kaufmann in Kassel, floh im Juli 1938 von Hamburg aus in die USA, lebte in Reno, Texas, und starb 60-jährig 1951. Die 1893 geborene und in Frankfurt am Main lebende Schwester Sidonie Ledermann – Lewinski wurde am 20.10.1941 in das Ghetto Litzmannstadt/Łódź deportiert. Sie wurde in Auschwitz ermordet.

Danksagung

Die biografische Skizze wurde in enger Zusammenarbeit mit Sabine Kampmann, Bonn, der Enkeltochter Annemarie Ledermanns, verfasst. Wesentliche Hinweise und viele Fotografien entstammen dem Familienarchiv Prof. Dr. Hans Ludes / Sabine Kampmann. Gedankt sei Florian Jung, Bruchsal, für den Gedankenaustausch und seine sorgfältigen Recherchen zur Familie Ledermann aus Heidelsheim-Bruchsal. Thomas Deres, Historisches Archiv der Stadt Köln und Margit Glowe, Heimatmuseum Brüssow, Uckermark, gebührt großer Dank für ihre Hilfe bei der ersten Spurensuche zur Biografie Dr. Ledermanns.

Charles Duquette, USA, dem Enkelsohn Alfred Sallo Ledermanns, sei für Fotografien und die Kontaktvermittlung gedankt. Ihm gebührt zudem ganz besonderer Dank für die ausgezeichnete englische Übersetzung der biographischen Skizze Ledermanns.


Quellen und Literatur
zu den Quellen
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Dr. med. Alfred Sallo (Salomon) Ledermann

Verzeichnis der Quellen

  • Universitätsarchiv Rostock/UAR. Akte betr. Ärztliche Prüfung des Studierenden der Medizin Sallo Ledermann aus Cassel 1919/20, Kommission für die Ärztliche Prüfung zu Rostock. Medizinische Fakultät Rostock, 89, Akte betr. Promotion des approbierten Arztes Sallo Ledermann [Dissertationsschrift, Maschinenschrift, kurzer Lebenslauf]

  • Historisches Archiv, Stadt Köln Bestand 424 Akte A 849, Meldung über Niederlassungen, Kreisärzte Köln [diesen Quellenfund verdanken wir Thomas Deres, Historisches Archiv, Stadt Köln]

  • Familiennarchiv Sabine Kampmann/Familien Cohnstädt, Ludes, Ledermann, u. a. Erinnerungen Prof. Dr. Hans Ludes, Internist, unveröffentl. Manuskript. Sammlung Fotografien.

  • Arizona Daily Star (Tucson/Arizona), 04.11.1949, S. 16 [Notiz über Ledermanns Tätigkeitsbeginn am Arizona State Hospital]
  • The Daily Times, Salisbury/Maryland, 01.11.1952, S. 1 [Notiz über Niederlassung Alfred S. Ledermann als Psychiater]
  • Alfred S. Ledermann, MD, Obituary. The Daily Times, Salisbury/Maryland, 22.09.1964, S. 1
  • Dr. Ledermann Funeral Held. Obituary. The Balitmore Sun, Balitmore/Maryland, 24.09.1964

Verzeichnis der Literatur

  • Jung F. Die Familie Ledermann aus Heidelsheim-Bruchsal, Stammbaum, in: Gedenkschrift zur sechsten Stolpersteinverlegung in Bruchsal am 11.2.2020, Stadtverwaltung Bruchsal [Hg], Februar 2020, S. 18-20

Verzeichnis der Weblinks