Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Prof. Dr. med.
Hans Eugen Simmel
1891 - 1943

Prof. Dr. med. Hans Simmel, <br> Foto privat
Prof. Dr. med. Hans Simmel,
Foto privat

Mitglied seit 1925

Befasste sich vor allem mit hämatologischen Fragestellungen

Nach dem Novemberpogrom vorübergehend im KZ Dachau inhaftiert

Dissertation, Berlin 1914
Dissertation, Berlin 1914
Grabstätte Hans und Else Simmel, Colorado Springs © Cornelia Fris, Seelsorgerin SRH Wald-Klinikum Gera
Grabstätte Hans und Else Simmel, Colorado Springs © Cornelia Fris, Seelsorgerin SRH Wald-Klinikum Gera
Stolperstein für Hans Simmel in Gera © Matthias Weibrecht
Stolperstein für Hans Simmel in Gera © Matthias Weibrecht

Prof. Dr. med. Hans Eugen Simmel

  • 0‌6‌.‌0‌4‌.‌1‌8‌9‌1‌, Berlin
  • 2‌3‌.‌0‌8‌.‌1‌9‌4‌3‌, Colorado Springs, Colorado, USA
  • Mitglied seit 1925
  • Geflohen 1939, USA
  • Gera
  • Facharzt für Innere Medizin

Hans Eugen Simmel wurde 1891 in Berlin-Westend als Sohn des bekannten Soziologen Georg Simmel und seiner Ehefrau, der Malerin und Philosophin Gertrud Simmel (Pseudonym Marie Luise Enckendorff), geb. Kinel, geboren. Das Elternhaus Hans Simmels war in Berlin zwischen 1890 und dem Beginn des Ersten Weltkrieges ein wichtiger Treffpunkt für Wissenschaftler und Schriftsteller.

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Hans Simmel erhielt über längere Zeit Einzelunterricht durch einen Privatlehrer und besuchte seit Oktober 1905 das Kaiser-Friedrich-Gymnasium in Berlin. Ostern 1908 legte er das Abitur ab und studierte in Berlin, Würzburg, München und wieder Berlin Medizin. An der Friedrich-Wilhelms Universität Berlin legte er Ostern 1913 das Staatsexamen ab und wurde 1914 mit der Arbeit „Ueber Anaphylaxie und primäre Serumgiftigkeit“ an der Berliner Universität promoviert. Die Approbation erhielt er ebenfalls 1914.

Dissertation, Berlin 1914
Dissertation, Berlin 1914

Im Juni und Juli 1914 forschte Simmel als Volontärassistent am Institut für Pharmakologie der Universität Heidelberg bei Rudolf Gottlieb zur intestinalen Albuminresorption. Der Erste Weltkrieg unterbrach diese Tätigkeit. Seit August 1914 nahm er aktiv im Sanitätsdienst am Ersten Weltkrieg teil. Dabei konnte Simmel vom Oktober 1914 bis zum März 1917 zeitweise bei Erich Meyer in der Medizinischen Universitätspoliklinik Straßburg arbeiten. Danach war er als Sanitätsoffizier in den Karpathen und in der Ukraine eingesetzt. Vom Mai 1919 bis zum Oktober 1920 war Simmel Assistent bei Robert Rössle im Institut für Pathologie der Universität Jena.

Am 01.10.1920 wechselte Simmel in die Medizinische Universitätspoliklinik Jena zu Felix Lommel, wurde 1923 mit einer Arbeit über die osmotische Resistenz der Erythrozyten habilitiert und erhielt 1925 an der Jenaer Thüringischen Landesuniversität eine außerordentliche Professur für Innere Medizin. An der Medizinischen Poliklinik in Jena erhielt Simmel eine breite internistische Ausbildung einschließlich der Röntgendiagnostik. Wissenschaftlich befasste er sich besonders mit Fragen aus dem hämatologischen Fachgebiet.

Am 15.06.1928 trat Hans Simmel die Stelle des Chefarztes der Abteilung für Innere Medizin am Städtischen Krankenhaus Gera an und erlangte rasch allgemeines Ansehen. Bereits 1932 war Simmel wegen seiner jüdischen Vorfahren antisemitischer Propaganda ausgesetzt. Im Februar 1933 wurde er von den Nationalsozialisten vorübergehend inhaftiert („Schutzhaft“). Am 24.03.1933 verlor er seine Stelle als Chefarzt am Städtischen Krankenhaus Gera. Sein Lehrauftrag an der Universität Jena wurde ihm entzogen.

1934 zog Simmel mit seiner Familie nach Stuttgart um und konnte dort in privater Praxis tätig sein. Eine Kassenzulassung wurde ihm verwehrt. Mit dem 30.09.1938 verlor er seine Approbation. Da er in Stuttgart keine Zulassung als „Krankenbehandler“ erhielt, wurde er erwerbslos.

Nach dem Novemberpogrom wurde Simmel vom 11.11. bis 12.12.1938 im Konzentrationslager Dachau inhaftiert.

 

Flucht nach Großbritannien 1939 und in die USA 1940

Seit Oktober 1938 bemühte sich Simmel über den Frankfurter Soziologen Max Horkheimer, der sich seit 1934 in New York befand und dessen Eltern Simmel in Stuttgart betreute, über den US-amerikanischen Soziologen Earl Edward Eubank sowie mit Unterstützung des Hilfsvereins der Juden in Deutschland um ein Einreisevisum für die USA. 1939 floh Hans Simmel gemeinsam mit seiner Ehefrau und dem jüngsten seiner vier Kinder im März 1939 zunächst in die Schweiz und von dort im August 1939 nach Großbritannien. Dort befanden sich seit 1938 bereits die drei älteren Kinder. Die Familie lebte in South Ockendon, Essex, östlich Londons. Nach Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde Simmel im November 1939 von der Internierung als Enemy Alien befreit. Er erhielt ein Affidavit für die USA und gelangte am 09.03.1940 mit seiner Familie von Liverpool aus mit dem Royal Mail Ship Lancastria in die USA. New York erreichten sie am 21.03.1940.

Nach Sprachprüfungen und dem amerikanischen Medizinexamen war Hans Simmel seit Ende Oktober 1940 als Volontärarzt im Institut für Pathologie am Mount Sinai Hospital in Chicago tätig. Seit dem 01.12.1941 war er Leiter des Labors für Pathologie im Warren City Hospital, einem 150 Betten Krankenhaus in Warren, Ohio. In den USA erhielt Hans Simmel eine finanzielle Unterstützung durch die Henry Dazian Foundation, die in jener Zeit von dem Internisten Emanuel Libman geleitet wurde.

Hans Simmel starb am 23.08.1943 52-jährig während eines Urlaubs in Colorado Springs, Colorado, USA. Seine Ehefrau, die Kinderärztin Dr. med. Else Rosa Rapp starb im Februar 1964. Die beiden Schwiegereltern von Hans Simmel wurden nach Litzmannstadt, heute Łódź, Polen, deportiert und im Oktober 1941 ermordet.

Die Grabstätte des Ehepaares Simmel befindet sich auf dem Evergreen Cemetery in Colorado Springs.

Grabstätte Hans und Else Simmel, Colorado Springs © Cornelia Fris, Seelsorgerin SRH Wald-Klinikum Gera
Grabstätte Hans und Else Simmel, Colorado Springs © Cornelia Fris, Seelsorgerin SRH Wald-Klinikum Gera

In Gera wird mit einer nach ihm genannten Straße, seit 2008 mit einem Stolperstein und mit einer Gedenktafel in einem nach ihm benannten Gebäude des heutigen SRH Wald-Klinikums an Hans Simmel erinnert.

Stolperstein für Hans Simmel in Gera © Matthias Weibrecht
Stolperstein für Hans Simmel in Gera © Matthias Weibrecht

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Über die Atresie der großen Gallenwege als echte Missbildung. Zentralblatt für allgemeine Pathologie 1922; 32: 593-598
  2. Die osmotische Resistenz der Erythrocyten. Leipzig: Verlag von F. C. W. Vogel 1923.
  3. Mit G. Küntscher. Die Prüfung der Nierenfunktion durch Bestimmung des Harnstoffs im Speichel. Dtsch Med Wochenschr 1925; 51: 1909-1910
  4. Untersuchungen an jungen Erythrocyten. Folia haematologica 1926; 32: 97-101
  5. Wirkliche und scheinbare Vererbung von Krankheiten. Leipzig: Quelle & Meyer Verlag 1931 (Reihe Wissenschaft und Bildung, Band 271)
Danksagung

Herrn Matthias Weibrecht, Gera, gebührt großer Dank für die Hinweise zur Biographie Hans Simmels. Der Seelsorgerin des SRH Wald-Klinikum Gera, Cornelia Fris, sei für die Überlassung des Fotos der Grabstätte von Hans und Else Simmel in Colorado Springs, USA, gedankt. Dank gebührt ebenso den Mitarbeitenden der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Archivzentrum, für das Einscannen des Briefwechsels zwischen Max Horkheimer und Hans Simmel.


Quellen und Literatur
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Prof. Dr. med. Hans Eugen Simmel

Verzeichnis der Quellen

  • Auskunft Archiv KZ Dachau vom 22. Juli 2021: KZ Dachau NARA Zugangsbuch Nr. 104/ 21687 „Schutzhäftling“ Hans Simmel 11. 11. 1938 – 12. 12 1938
  • Grieser T. Jüdische Ärzte in Thüringen während des Nationalsozialismus 1933 – 45. Dissertation. Jena; 2003:
  • Simmel H. Curriculm Vitae. In: Briefwechsel Hans Simmel und Max Horkheimer 1936 – 1943, Goethe-Universität Frankfurt, Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Archivzentrum, Bestand Max Horkheimer, Na 1, Nummer 49 , Bl. 92
  • Stadtarchiv Gera, Rat der Stadt Gera, Rechtsamt Nr. 13478 Bl 18 (Schreiben Stadtvorstand Gera an Prof. Hans Simmel vom 13. April 1933 mit Bezug auf die Entlassung als Chefarzt wegen „nichtarischer Abstammung“ am 24. 03.1933)
  • Universitäts-Bibliothek Tübingen. Simmel H. Dissertation: Ueber Anaphylaxie und primäre Serumgiftigkeit, Berlin 1914. Sign. U 14.1427: 13

Verzeichnis der Literatur

  • Forsbach R, Hofer H-G. Internisten in Diktatur und junger Demokratie. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin 1933-1970. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2018: 437
  • Rueß S. Stuttgarter Jüdische Ärzte während des Nationalsozialismus. Würzburg: Verlag Könighausen und Neumann; 2009: 339-443
  • Ruggeri D. The unpublished correspondence between Hans Simmel and Max Horkheimer (1936 – 1943). In: Simmel Studies 2020; 24 (1): 127 – 158
  • Simmel H. Lebenserinnerungen 1941 – 1943. In: Simmel Studies 2008; 18 (1): 9-135
  • Simmel A. Some thoughts on Hans Simmel’s Lebenserinnerungen. A son’s perspective. In: Simmel Studies 2008; 18 (1): 137-148
  • Simsohn W. Juden in Gera Band 2, Jüdische Familiengeschichten, (Hg.) Erhard Roy Wiehn. Konstanz: Hartung-Gorre Verlag; 1998: 167-170
  • Zelzer M [A], Stadt Stuttgart [Hg]. Weg und Schicksale der Stuttgarter Juden. Stuttgart: Klett Verlag; 1964: 200

Verzeichnis der Weblinks