Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Harry Cobliner
1884 - 1962

Dr. med. Harry Cobliners Unterschrift 1956
Dr. med. Harry Cobliners Unterschrift 1956

Mitglied seit 1927

Früher Specialarzt für Magen-Darmkrankheiten in Posen

Flucht in die USA 1941

Dissertation 1911, Kopie des Titelblatts Archiv H Je
Dissertation 1911, Kopie des Titelblatts Archiv H Je
Briefkopf in den USA, Quelle Entschädigungsakte NRW
Briefkopf in den USA, Quelle Entschädigungsakte NRW
Cobliners Grabstätte in den USA, Bildquelle: www.findagrave.com
Cobliners Grabstätte in den USA, Bildquelle: www.findagrave.com

Dr. med. Harry Cobliner

  • 2‌7‌.‌1‌1‌.‌1‌8‌8‌4‌, Posen/heute Poznań, Polen
  • 0‌2‌.‌0‌7‌.‌1‌9‌6‌2‌, Charleston, West-Virginia, USA
  • Mitglied seit 1927
  • Geflohen 1941, USA
  • Köln
  • Niedergelassener Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten

Harry Cobliner wurde 1884 als Sohn von Meyer Max Cobliner und seiner Ehefrau Helene, geb. Brandt, in Posen, heute Poznań, Polen, geboren. Die Familie gehörte der jüdischen Glaubensgemeinschaft an.

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

„Ich, Harry Cobliner, bin am 27. November 1884 in Posen geboren, besuchte daselbst das Köngliche Friedrich-Wilhelms-Gymnasium, wo ich Ostern 1904 das Zeugnis der Reife erhielt. Ich studierte an den Universitäten Heidelberg und München, wo ich im Juni 1909 das medizinische Staatsexamen bestand. Mein Jahr als Medizinalpraktikant leistete ich ab in der Psychiatrischen Klinik in München, in der Chirurgischen Klinik und Medizinischen Poliklinikin Heidelberg. Am 1. Juli 1910 erhielt ich meine Approbation als Arzt, so Cobliner in seiner Dissertationsschrift. Am 4. September 1911 wurde er an der Universität Heidelberg mit der Arbeit „Experimentelle Beiträge zur Entstehung der Colitis mercurialis im Anschluss an einen Fall von Sublimatvergiftung“ promoviert. Die Arbeit hatte er bei dem Magen-Darm-Spezialisten Wilhelm Fleiner, dem ärztlichen Direktor der Heidelberger Medizinischen Universitätspoliklinik angefertigt. Im gleichen Jahr konnte Cobliner Teile der Promotionsarbeit im Archiv für Verdauungskrankheiten („Boas-Archiv“) publizieren, sicherlich vermittelt durch Wilhelm Fleiner, der von Ismar Boas als Mitherausgeber des Archivs gewonnen worden war.

Dissertation 1911, Kopie des Titelblatts Archiv H Je
Dissertation 1911, Kopie des Titelblatts Archiv H Je

1911 war Cobliner als Assistenzarzt im Institut für Pathologie der Städtischen Krankenanstalten Nürnberg tätig, weitere Ausbildungsstationen sind bisher unbekannt. Seit 1914 praktizierte Harry Cobliner als Specialarzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten in seiner Vaterstadt Posen. Vom August 1914 bis zum Dezember 1918 nahm er als Militärarzt aktiv am Ersten Weltkrieg teil.

Nach dem Versailler Vertrag wurde Posen 1919 dem polnischen Staat zugeordnet. „Im Juli 1921 habe ich Posen verlassen, da ich es für meine Pflicht hielt, als Deutscher mein Deutschtum zu bewahren“, so Cobliner in seinem Entschädigungsantrag 1951 (LArch NRW BR 3000 Nr 253, Bl 7). Er übersiedelte nach Köln. Dort eröffnete er noch im Juli 1921 am Salierring 51 eine Spezialpraxis ( Privat- und Kassenarztpraxis ), die sich rasch sehr erfolgreich entwickelte. Cobliner verfügte neben einer Röntgeneinrichtung über zwei Sigmoidoskope, zwei Rektoskope, zwei Oesophagoskope sowie nach 1932 über ein semiflexibles Gastroskop (vgl. Wiedergutmachungsantrag Harry Cobliner, LArch NRW Rep 266 Nr 9350, Bl. 5 und Bl. 31).

 

Seit 1933

Seit dem 1. April 1933 mit dem Boykott der Praxen jüdischer Ärzte durch die Nationalsozialisten nahm die Zahl seiner Patienten kontinuierlich ab. 1937 ist Cobliner noch im Reichsmedizinalkalender als Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten in Köln verzeichnet und als jüdischer Arzt gekennzeichnet. Mit dem 30. September 1938 wurde ihm die Approbation entzogen. Kurz darauf gab er seine Praxis auf. Seine gesamte Praxiseinrichtung musste er in einem Lagerraum deponieren. „Was ich mir in 17-jähriger Praxis so wunderbar und ertragbringend aufgerichtet hatte, wurde mir am Ende mit dem Praxisverbot vollständig vernichtet“, so Cobliner in einem Schreiben an den Regierungspräsidenten in Köln im März 1958 (LArch NRW BR 3000 Nr 253, Bl. 56).

 

Flucht in die USA

Der 56-jährige alleinstehende Harry Cobliner floh 1941 aus Deutschland über Frankreich und Spanien nach Portugal. Er gelangte am 12.06.1941 von Lissabon aus mit der S.S. Serpa Pinto in die USA. New York erreichte er am 23.06.1941. Zunächst arbeitete er in New York in Einrichtungen zur Betreuung für schwerkranke Langzeit-Patienten (vom November 1941 bis März 1943 im Beth Abraham Home for Incurables in der Bronx, NY, danach in der New York Farm Colony). Nach einer zweijährigen Studienzeit absolvierte er das amerikanische Staatsexamen.

Zum 01.08.1943 wechselte er nach West Virginia und lebte seither in Charleston. Da in West-Virginia anders als in New York andere Regeln zur Lizenzerterteilung für eine eigene Praxistätigkeit bestanden, nahm der 59-jährige Cobliner in der Funktion eines Assistenzarztes eine Tätigkeit in dem kleinen von Dr. Harlan H. Staats 1922 gegründeten 67-Betten „Staats Hospital“ an, die er bis zu seinem 74. Lebensjahr ausübte.

Briefkopf in den USA, Quelle Entschädigungsakte NRW
Briefkopf in den USA, Quelle Entschädigungsakte NRW

Harry Cobliner starb 77-jährig am 02.07.1962 in Charleston, West Virginia. Seine Grabstätte findet sich auf dem B’nai Jacob Cemetery in Charleston.

Cobliners Grabstätte in den USA, Bildquelle: www.findagrave.com
Cobliners Grabstätte in den USA, Bildquelle: www.findagrave.com

Cobliners jüngerer Bruder, Dr. jur. Ludwig Cobliner, war seit 1919 niedergelassener Rechtsanwalt in Bremen-Blumenthal, wurde im August 1944 von der GESTAPO zunächst im „Arbeitserziehungslager“ Bremen-Farge inhaftiert und im November 1944 in das KZ Neuengamme bei Hamburg deportiert. Er überlebte das KZ nicht. Der ältere Bruder, Dr. med. Samuel Cobliner, niedergelassener Kinderazrt in Frankfurt, floh 1936 aus Deutschland nach Palästina und starb dort 1946.

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Experimentelle Beiträge zur Entstehung der Colitis mercurialis, im Anschluss an einen Fall von Sublimatvergiftung. Arch Verdauungskr 1911; 17: 452-474
Danksagung

Den Mitarbeitenden des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland, Duisburg, sei für die Hilfe und Kooperation gedankt.


Quellen und Literatur
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Dr. med. Harry Cobliner

Verzeichnis der Quellen

  • Universitätsarchiv München (UAM), Personen- und Studentenverzeichnisse [Cobliner, Harry], https://epub.ub.uni-muenchen.de/9662/1/pvz_lmu_1907_sose.pdf (Harry Cobliner war seit dem WS 1906/07 bis zum SS 1909 Medizinstudent an der LMU München), letzter Zugriff: 04.12.2023

  • Cobliner H. Experimentelle Beiträge zur Entstehung der Colitis mercurialis, im Anschluss an einen Fall von Sublimatvergiftung. Med. Dissertation, Staatsbibliothek Berlin-Stiftung Preußischer Kulturbesitz/SBB-PK Sign. Ja 8380-1911,1 [Lebenslauf S. 25]
  • Landesarchiv Nordrhein-Westfalen, Abteilung Rheinland (Duisburg), Entschädigungsakte BR 3000 Nr 253 [ZK 433 332]. – Vgl. Landesarchiv NRW Rep 266 Nr 747 (Rückerstattungssache Harry Cobliner, Wiedergutmachungsamt beim Landgericht Köln sowie LArch NRW Rep 266 Nr 9350.
  • Reichsmedizinalkalender 1914, S. 202,  https://digital.zbmed.de/medizingeschichte/periodical/search/5219803?query=cobliner, letzter Zugriff: 04.12.2023

  • Reichsmedizinalkalender 1937, Teil 2, S. 406 [Verzeichnis der deutschen Ärzte und Heilanstalten mit Nachtrag 1 (Febr 1938), Leipzig: Thieme, 58: 1937, https://digital.zbmed.de/medizingeschichte/periodical/titleinfo/4746319

Verzeichnis der Weblinks