Prof. Dr. med. Paul Friedrich Richter
- 16.07.1868, Beuthen/ Bytom, Oberschlesien, Polen
- 08.10.1934, Berlin
- Mitglied seit 1925
- Berlin
- Facharzt für Innere Krankheiten
„Verfasser, geboren am 16. Juli 1868 zu Beuthen O / Schl., jüdischer Confession, Sohn des kgl. Sanitätsrathes Dr. S. Richter, besuchte von Ostern 1877 ab das Gymnasium meiner Vaterstadt, welches er Ostern 1885 mit dem Zeugnis der Reife verliess. Er widmete sich dem Studium der Medicin zunächst in Göttingen, woselbst er am 26. Februar 1887 die ärztliche Vorprüfung bestand. Während des Sommersemsters 1887 studierte er in Heidelberg und bezog Michaelis 1887 die Universität Breslau. Hier beendete er am 19. Februar 1890 die ärztliche Staatsprüfung“, so Richter im Lebenslauf in seiner Dissertationsschrift. ´Richters Vater war Dr. med. Salo ( Salomon ) Richter, seine Mutter war Valesca Richter, geb. Perls. Das Grab der Eltern ist auf dem jüdischen Friedhof Breslau, heute Wroclaw, erhalten.
Ausbildung und Wirkungsstätte
Während des Studiums arbeitete Richter 1888 als Unterassistent in der Breslauer Medizinischen Universitätsklinik bei Anton Biermer, dem Erstbeschreiber der perniziösen Anämie (Morbus Biermer). 1890 erhielt er die ärztliche Approbation. Im Januar 1891 wurde er mit der Arbeit „Experimentaluntersuchungen über Antipyrese und Pyrese, nervöse und künstliche Hyperthermie“ an der Breslauer Universität promoviert. Die Arbeit hatte er im dortigen Institut für Pharmakologie angefertigt, dessen Leiter, Wilhelm Filehne, in jener Zeit zur medikamentösen Fiebersenkung forschte.
Von 1894 bis 1910 arbeitete und forschte Paul F. Richter an der III. Medizinischen Universitätsklink der Berliner Charité bei Hermann Senator. Zu seinen damaligen Mit-Assistenten an der Klinik Senators gehörten Hermann Strauß, Theodor Rosenheim und Heinrich Rosin, die bei der Begründung der neuen Fachgesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten 1913/14 beteiligt waren.
1902 habilitierte sich Richter an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin für das Fach Innere Medizin. 1921 erhielt er eine außerordentliche Professur für Innere Medizin an der Berliner Universität.
Von 1910 bis 1933 hatte Richter die Stelle des dirigierenden Arztes der Abteilung für Innere Medizin am Städtischen Krankenhaus Berlin-Friedrichshain inne. Seit 1923 war er konsiliarisch internistisch im Berliner Jüdischen Krankenhaus Adass Jisroel in der Elsässer Straße 85 tätig.
Im Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Arbeit standen Fragen der physiologischen Chemie, des Metabolismus bei Nieren- und Leberkrankheiten sowie der Diabetes mellitus. Publizistisch war Richter außerordentlich aktiv. Gemeinsam mit dem Stoffwechselforscher Alexander von Korányi publizierte er 1907/1908 das zweibändige Werk „Physikalische Chemie und Medizin“. Er verfasste unter anderem die Beiträge über „Funktionelle Nierendiagnostik“ und „Chronische Nephritiden“ in der vielbändigen Speziellen Pathologie und Therapie Innerer Krankheiten, Band 7, 1920, herausgegeben von Friedrich Kraus und Theodor Brugsch. 1928 erschien „Wie soll der Arzt in der Praxis Stoffwechselkrankheiten behandeln“ und 1931 „Insulintherapie bei Diabetes mellitus“.
Paul Friedrich Richter war seit 1925 Mitglied der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und gehörte dem Beratenden Ausschuss bis 1933 an. Auf seine Anregung geht zurück, dass die Tagungen der Fachgesellschaft seit 1924 im jährlichen Wechsel in Berlin und Wien stattfanden.
1933
Ob Richter im April 1933 aus seiner Funktion als Leitender Arzt der Abteilung für Innere Medizin am Städtischen Krankenhaus Friedrichshain in Berlin entlassen wurde oder ob der 65-Jährige sich „freiwillig“ in den Ruhestand zurückzog, ist nicht eindeutig dokumentiert. Richters „nicht-arischem“ Oberarzt in der Friedrichshainer Klinik, Dr. med. Harry Heller ( 1899 – 1967 ) wurde zum 31.3.1933 gekündigt. Richter beklagte in seinem Zeugnis für Heller, „dass durch seinen Weggang vom Krankenhaus eine hoffnungsvolle Laufbahn plötzlich unterbrochen wird“ (vgl. Entschädigungsakte Dr. Harry Heller, Blatt M5). Heller konnte sich 1933 nicht mehr habilitieren. Er verließ Deutschland und erreichte 1934 über England Palästina, wo er in der Folgezeit leitende Krankenhauspositionen einnahm.
Mit dem 14.09.1933 wurde Richter wegen „nicht-arischer Abstammung“ die Lehrbefugnis an der Berliner Universität entzogen (§ 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 07.04.1933).
Paul Friedrich Richter starb 66-jährig am 08.10.1934 in Berlin. Seine Grabstätte ist bisher nicht bekannt.
Richters 1875 geborene Schwester Gertrud Henriette Richter-Schück starb 1931 in Berlin. Sein Schwager Siegfried Schück, geb. 1869, wurde im Dezember 1942 aus Berlin nach Theresienstadt / Terezin deportiert. Er starb unter den Bedingungen des Ghettos am 26.2.1944.
Richter, der in Berlin allein lebte, war über seine Mutter mit dem Kunstsammler Hugo Perls und dessen Schwester Elise Flatow-Perls verwandt und wurde von diesen unterstützt. Hugo Perls übersiedelte bereits 1931 nach Paris. Elise Flatow organisierte im Oktober 1934 Richters Beerdigung. Später konnte sie aus Deutschland fliehen und gelangte über Frankreich und Kuba in die USA.
Beitrag:
Dr. med. Harro Jenss, Worpswede