Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Prof. Dr. med.
Hermann Steinitz
1900 - 1990

Prof. Dr. med. Hermann Steinitz <br> © Prof. Hannah Rosén
Prof. Dr. med. Hermann Steinitz
© Prof. Hannah Rosén

Mitglied seit 1928

Mitbegründer der Gesellschaft für Innere Medizin und der Sektion Gastroenterologie in Palästina

Führte die Gastroskopie in Israel ein

Arch für Verdauungskrankheiten (
Arch für Verdauungskrankheiten ("Boas-Archiv") 1932, Archiv HJe
Hermann Steinitz (links) mit Hermann Strauß bei dessen Besuch in Palästina 1937, <br> Bildquelle: Privat
Hermann Steinitz (links) mit Hermann Strauß bei dessen Besuch in Palästina 1937,
Bildquelle: Privat

Prof. Dr. med. Hermann Steinitz

  • 1‌7‌.‌1‌0‌.‌1‌9‌0‌0‌, Gleiwitz/Gliwice, Oberschlesien, Polen
  • 3‌0‌.‌0‌4‌.‌1‌9‌9‌0‌, Tel Aviv, Israel
  • Mitglied seit 1928
  • Geflohen 1933, Palästina
  • Berlin
  • Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie und Hepatologie

Hermann Steinitz wurde 1900 als Sohn des Rechtsanwaltes Hans Steinitz und seiner Ehefrau Gertrud, geb. Appel, in Gleiwitz/Gliwice, Oberschlesien, Polen geboren. Seit 1906 lebte die Familie in Berlin.

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Nach dem Abitur am Lessing-Gymnasium in Berlin-Wedding 1918 studierte Steinitz in Berlin, Freiburg, Breslau und wieder Berlin Medizin. An der Berliner Universität legte er Ende 1923 das Staatsexamen ab. 1924 wurde er mit der Arbeit „Chemische Blutuntersuchungen bei chronischer Adrenalinvergiftung der Kaninchen“ promoviert, die er bei Martin Jacoby im Institut für Chemie und Biochemie des Berliner Städtischen Krankenhauses Moabit anfertigte. Im gleichen Jahr erhielt er die Approbation.

Als Medizinalpraktikant war Steinitz in der I. Medizinischen Klinik am Städtischen Krankenhaus Moabit, Berlin, bei Georg Klemperer tätig. Vom 01.01.1925 bis 31.12.1928 arbeitete er als Assistenzarzt in der Abteilung für Innere Medizin am Jüdischen Krankenhaus Berlin bei Hermann Strauß. Aus dieser Zeit stammen von Steinitz zahlreiche Arbeiten, die er gemeinsam mit Strauß publizierte. Nach sechsmonatiger Ausbildung in der Röntgendiagnostik im Städtischen Krankenhaus Berlin-Friedrichshain war Steinitz seit August 1929 Oberarzt in der I. Inneren Abteilung des Berliner Städtischen Hufeland-Hospitals bei Georg Rosenow.

Deutsche Medizinische Wochenschrift 1932, Archiv HJe
Deutsche Medizinische Wochenschrift 1932, Archiv HJe
Arch für Verdauungskrankheiten (
Arch für Verdauungskrankheiten ("Boas-Archiv") 1932, Archiv HJe

Seit Anfang der 1920er Jahre stand Steinitz in freundschaftlicher Verbindung mit Ismar Boas, die in einem erhaltenen Briefwechsel bis zum Februar 1938 dokumentiert ist.

Hermann Steinitz (links) mit Hermann Strauß bei dessen Besuch in Palästina 1937, <br> Bildquelle: Privat
Hermann Steinitz (links) mit Hermann Strauß bei dessen Besuch in Palästina 1937,
Bildquelle: Privat

Im Mai 1933 wurde Steinitz vier Tage im Gefängnis Spandau im Rahmen einer Nazi-Aktion inhaftiert, bei der 60 Berliner Ärzte, unter anderem auch Hermann Strauß, verhaftet wurden. Danach entschloss sich Hermann Steinitz zur Flucht aus Deutschland.

 

Flucht aus Deutschland nach Palästina 1933

Nach Aufenthalten in Paris und in der Schweiz gelangte Steinitz im Oktober 1933 von Marseille nach Jaffa in Palästina, das er am 22.10.1933 erreichte. Seine Ehefrau folgte ihm mit der zweijährigen Tochter im Januar 1934.

Seit 01.01.1934 war er niedergelassener Facharzt für Innere Medizin in Tel Aviv mit einer rasch an Umfang zunehmenden Privatpraxis. Halbtags arbeitete er für die Allgemeine Arbeiter Krankenkasse. In Palästina war Steinitz Mitbegründer der Gesellschaft für Innere Medizin und der Sektion Gastroenterologie. 1937 bemühte sich Hermann Steinitz erfolglos sehr darum, seinen zu einem Besuch in Palästina weilenden früheren Lehrer Hermann Strauß zur Flucht aus Deutschland zu überzeugen.

Geprägt durch die Zusammenarbeit mit Hermann Strauß am Jüdischen Krankenhaus in Berlin bezogen sich Steinitz’ Arbeiten vorwiegend auf die Gastroenterologie und Hepatologie, auf Stoffwechselfragen sowie auf Infektionskrankheiten insbesondere in Palästina und Israel, wobei er sich intensiv mit der Amöbiasis beschäftigte.

1949 hielt sich Steinitz in London auf und absolvierte eine dreimonatige Tätigkeit in der Abteilung für Gastroenterologie des Middelsex County Hospital bei Sir Avery Jones. Mit einem aus England mitgebrachten semiflexiblen Wolf-Schindler-Gastroskop führte er die Gastroskopie in Israel ein.

Von 1952 bis 1970 leitete er in Teilarbeit die Poliklinik für Gastroenterologie im Tel Aviver Zentralklinikum Zamenhof.

Nach 1950 stand Hermann Steinitz in Kontakt mit den deutschen und europäischen Gastroenterologen, wobei der Frankfurter Hepatologe Werner Siede eine Vermittlerfunktion einnahm. 1970 wurde Hermann Steinitz eine Honorarprofessur für Innere Medizin an der Freien Universität Berlin verliehen.

Hermann Steinitz starb 89-jährig 1990 in Tel Aviv. Die 1931 in Berlin geborene Sprachwissenschaftlerin Hannah Rosén ist Hermann und Gerda Steinitz’ Tochter.

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Weitere Beobachtungen über Ikterus bei Diabetikern. Dtsch med Wochenschr 1932; 58: 1555-1557
  2. Calcinosis circumscripta („Kalkgicht“) und Calcinosis universalis. Ergeb Inn Med Kinderheilk 1931; 39: 216-276
  3. Über die stickstoffhaltigen Bestandteile des reinen Magensaftes.I. Ammoniak im Magensaft. Arch Verdauungskr 1932; 52: 31-37
  4. Untersuchungen zur Pathologie des Fruktose-Stoffwechsels. Reine Fruktosurie bei Geschwistern. Diabetes und Fruktose-Stoffwechsel. Gastroenterologia 1939; 64: 334-7. – vgl. Steinitz H, Mizrahy O. Essential fructosuria and fructose intolerance. N Engl J Med 1969; 280: 222
  5. The treatment of chronic amoebic infection with metronidazole (Flagyl). Digestion 1972; 6: 75-82
Danksagung

Frau Professor Hannah Rosén, Israel, gebührt großer Dank für Ihre Hilfe 2019 bei der Recherche zur Biografie Hermann Steinitz. Jan Steinitz sei für seine Kontaktvermittlung gedankt.


Quellen und Literatur
zu den Quellen
Zurück

Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Prof. Dr. med. Hermann Steinitz

Verzeichnis der Quellen

  • Staatsbibliothek Berlin. Steinitz H. Dissertation: Chemische Blutuntersuchungen bei chronischer Adrenalinvergiftung der Kaninchen. Berlin 1924. SBB-SPK Sign. MS 30/480:42
  • Steinitz H. Mein Medizinischer Lebenslauf.18. Februar 1968. In: Ismar Boas Collection 1903-1938, Leo Baeck Institute New York/Center of Jewish History, CJH, AR 1374

Verzeichnis der Literatur

  • Hartung von Doetinchem D, Winau R. Zerstörte Fortschritte. Das Jüdische Krankenhaus in Berlin. 1756-1861-1914-1989. Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag; 1989: 131f.
  • Steinitz R. Eine deutsche jüdische Familie wird zerstreut. Die Geschichte der Familie Steinitz von 1751 bis heute. Books on Demand; 2016: 130-134