Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Georg Korn
1874 - 1941

Dissertation 1897, Kopie des Titelsblatts Archiv H Je
Dissertation 1897, Kopie des Titelsblatts Archiv H Je

Mitglied seit 1925

Früher Specialarzt für Magen- und Darmkrankheiten

Nach Flucht aus Königsberg 1938 Leben in Berlin als Verfolgte

Grabstätte Georg und Paula Korn, Jüd. Friedhof Berlin Weissensee, Foto Harro Jenss, Januar 2023
Grabstätte Georg und Paula Korn, Jüd. Friedhof Berlin Weissensee, Foto Harro Jenss, Januar 2023
Stolperstein für Lotte Korn, Bildquelle: www.stolpersteine-berlin.de
Stolperstein für Lotte Korn, Bildquelle: www.stolpersteine-berlin.de

Dr. med. Georg Korn

  • 0‌5‌.‌0‌5‌.‌1‌8‌7‌4‌, Preussisch-Holland im früheren Ostpreußen, heute Pasłęk, Polen
  • 1‌6‌.‌0‌4‌.‌1‌9‌4‌1‌, Berlin
  • Mitglied seit 1925
  • Kaliningrad
  • Specialarzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten

Georg Korn wurde am 05.05.1874 als Sohn des praktischen Arztes und Sanitätsrates Dr. Sigismund Korn und dessen Ehefrau Hulda, geb. Fürst, in Preussisch-Holland im früheren Ostpreußen geboren. Die Familie war jüdischen Glaubens. Der Vater Sigismund Korn war neben seiner Praxistätigkeit städtischer Armenarzt und Betreuer des Siechenhauses im damaligen Preussisch-Holland.

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Georg Korn erhielt zunächst Privat-Unterricht, besuchte dann die Stadtschule von Preussisch-Holland und seit Ostern 1886 das Königliche Gymnasium zu Elbing (heute Elbląg, Polen), das er Ostern 1892 mit dem Reifezeugnis verließ. Danach begann Korn das Medizinstudium, zunächst zwei Semester in München, um dann nach Königsberg, heute Kaliningrad, Russland zu wechseln. Dort beendete er im Januar 1898 das Staatsexamen und wurde im gleichen Monat promoviert. Seine Promotionsarbeit „Untersuchungen über verschiedene Gelatine-Nährböden hinsichtlich ihres Wertes für die bakteriologische Wasseruntersuchung“ hatte der Bakteriologe und Hygieniker Erwin von Esmarch, ein Schüler Robert Kochs, angeregt.

Korn erhielt 1898 die ärztliche Approbation. Seine Ausbildung und frühe Spezialisierung erhielt er bei Ismar Boas in dessen Berliner Poliklinik für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten. Seit 1902 war er als niedergelassener Spezialarzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten in Königsberg tätig. Georg Korn zählt zu den sehr frühen Spezialärzten, die sich im damals neuen Fachgebiet außerhalb von Berlin niederließen. Während des Ersten Weltkrieges war Korn als Mitarbeiter dem Garnisonsarzt von Königsberg zugeordnet.

In der ersten Mitgliederliste der Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankenheiten bei deren formaler Etablierung 1925 ist Georg Korn verzeichnet. Ebenfalls 1925 war er mit einem kleinen Beitrag als Antwort auf einen Artikel von Hermann Strauß, Berlin, im Archiv für Verdauungskrankheiten („Boas-Archiv“) vertreten. Neben seiner Praxistätigkeit betreute Korn als Belegarzt seine Patienten in einer Privatklinik eines Kollegen. Wegen seiner Expertise in seinem Fachgebiet wurde er zu Konsultationen nach Kowno/Kaunas und nach Wilnius, heute Litauen sowie Minsk, heute Belarus, gerufen.

Georg und Paula Korn waren im damaligen Königsberg gut vernetzt. Sie führten ein offenes Haus, in dem Künstlerinnen und Künstler verkehrten. Georg Korn war zudem ein großzügiger Mäzen.

 

Seit 1933

Mit Beginn der NS-Diktatur war der 59-jährige Georg Korn als Jude den Verfolgungen und antisemitischen Attacken durch die Nationalsozialisten ausgesetzt. Er verlor die Kassenzulassung. Die Zahl seiner Patienten nahm kontinuierlich ab. „Da mein Mann Jude war, liess seine Praxis nach 1933 von Jahr zu Jahr nach. Den meisten seiner Kollegen war es nicht mehr erlaubt, ihm Patienten zu überweisen“, so Paula Korn [Lebenslauf zum Entschädigungsantrag 05.11.1954, Entschädigunsbehörde Berlin, Reg.Nr. 262 401, E2, BEG].

Im Reichsmedizinalkalender 1937 ist Georg Korn – als Jude gekennzeichnet – noch als Facharzt für Magen-und Darmkrankheiten verzeichnet. Mit dem 30.09.1938 wurde ihm die ärztliche Approbation entzogen. Seine Praxis musste er aufgeben.

Im Herbst 1938 verließ das Ehepaar Korn nach einer Warnung vor einer Verhaftung unter Zurücklassung ihrer Wohnungseinrichtung Königsberg und lebte fortan unter bescheidenen Verhältnissen in Berlin in mehrfach wechselnden Wohnungen. Ihre Bemühungen seit 1938, Visa für ihre Ausreise aus Deutschland zu erhalten, scheiterten.

Zuletzt lebte das Ehepaar Korn gemeinsam mit ihrer Tochter Lotte Korn in der Berliner Landshuter Strasse 4 in einem Zimmer. Lotte Korn war als medizinisch-technische Assistentin seit 1935 in der Berliner Praxis Dr. med. Victor-Aronsteins tätig, mit dem sie eng verbunden war und den sie 1941 heiratete.

Georg Korn wurde am 15.04.1941 in der Abteilung für Innere Medizin des Jüdischen Krankenhauses Berlin (Ärztlicher Leiter Prof. Hermann Strauß) hospitalisiert. Dort starb der 77-jährige Georg Korn am Folgetag, am 16.04.1941. Seine erhaltene Grabstätte befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weissensee.

Grabstätte Georg und Paula Korn, Jüd. Friedhof Berlin Weissensee, Foto Harro Jenss, Januar 2023
Grabstätte Georg und Paula Korn, Jüd. Friedhof Berlin Weissensee, Foto Harro Jenss, Januar 2023

Die Tochter Lotte Korn-Aronstein und Dr. Victor Aronstein wurden am 01.11.1941 von Berlin aus in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź ) deportiert. Ihre Spuren verlieren sich im Jahr 1944 – beide haben den Holocaust nicht überlebt.

Stolperstein für Lotte Korn, Bildquelle: www.stolpersteine-berlin.de
Stolperstein für Lotte Korn, Bildquelle: www.stolpersteine-berlin.de

Georg Korns Ehefrau Paula, geborene Bodenstein, geb. 1879 in Berlin, lebte nach der Deportation ihrer Tochter allein in Berlin und war durch die eigene Deportation bedroht. Sie entschloss sich im April 1942 mit vier weiteren jüdischen Frauen, unter ihnen die Schriftstellerin Gertrud Kantorowicz, zur Flucht aus Deutschland. In Berlin hatte sich Paula Korn Paula Hammerschlag angeschlossen, die im gleichen Haus in der Landshuter Str. 4 wohnte und für die deren Sohn, der in der Schweiz lebte, eine Flucht organisiert hatte. Die Gruppe reiste über München und Bregenz nach Hohenems. Beim Versuch, am 06./07.05.1942 bei Diepoldsau die Grenze in die Schweiz zu überwinden, wurden die Frauen von deutschen Grenzpolizisten angehalten. Allein Paula Korn gelang es, in die Schweiz zu fliehen. Die vier anderen Frauen wurden inhaftiert und später deportiert. Keine von ihnen hat überlebt. Paula Korn wurde wegen des illegalen Grenzübertrittes in der Schweiz kurzzeitig u. a. im Gefängnis Rheineck inhaftiert. Seit dem 11. Mai 1942 war sie im Israelitischen Mädchenheim in Basel interniert. Unterstützung erhielt sie durch ein jüdisches Hilfwerk (Verband Schweizerischer jüdischer Fürsorgen). Der Baseler Theologe Professor Ernst Staehelin und seine Ehefrau Gertrud Staehelin-Kutter vermittelten im September 1943 Paula Korns Unterbringung im Damenaltersheim des Diakonissenhauses in Basel-Riehen. Am 12.02.1947 konnte Paula Korn zu ihrem Sohn in die USA übersiedeln. Sie starb am 25..6.1966 in New York. Ihre Urne wurde 1967 neben dem Grab ihres Ehemannes auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weissensee bestattet.

Der Sohn Heinrich Georg Korn (am 08.08.1904 geboren) konnte im Oktober 1937 aus Berlin über Kuba (Havanna) in die USA fliehen. Er erreichte am 12.11.1937 Kalifornien, nannte sich in den USA zunächst Henry George Korn (später Henry Cordy) und wurde als Konzert- und Opernsänger (Tenor) bekannt. Er starb am 23.11.1965 in New York.

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Korn G. Zu Strauß: Über Proctostasis paradoxa. Arch Verdauungskr 1925; 34:128
Danksagung

Sabine Hank, Archiv Stiftung Neue Synagoge Berlin/Centrum Judaicum gebührt Dank für das Auffinden der Krankenakte Dr. Georg Korns im Jüdischen Krankenhaus Berlin vom 15./16.04.1941. Dr. Hanno Loewy und Raphael Einetter, Jüdisches Museum Hohenems, sei für den Gedankenaustausch, ihre Hinweise und die Kooperation gedankt.


Quellen und Literatur
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Dr. med. Georg Korn

Verzeichnis der Quellen

  • Korn G. Untersuchungen über verschiedene Gelatine-Nährböden hinsichtlich ihres Wertes für die bakteriologische Wasseruntersuchung, Dissertation, darin Lebenslauf, Bayerische Staatsbibliothek (BSB), Sign. Diss.med. 316-86, S. 23 f

  • Stiftung Neue Synagoge Berlin/Archiv Centrum Judaicum: CJA, 2 A 1K Nr. 63, Bl. 16 [erhaltene Krankenunterlagen des Jüdischen Krankenhauses Berlin. Georg Korn wurde auf der Station II, Innere Medizin, am 15.04.1941 stationär aufgenommen, er starb am 16.04.1941]. – Den Quellenfund verdanke ich Sabine Hank, Archivarin CJA

  • Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO) Berlin, Abteilung I, Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte Reg. Nr. 262 401 (Dr. med. Georg Korn, geb. 05.05.1874); – Entschädigungsakte Reg. Nr. 264 182 (Paula Korn, geb. Bodenstein, geb. 10.06.1879) sowie Entschädigungsakte Reg. Nr. 253 142 (Lotte Korn-Aronstein, geb. 21.07.1906)

  • Schweizerisches Bundesarchiv Bern, Personendossier Paula Korn [1942 – 1947], Sign. E 4264#1985/196#3023*

  • Archiv für Zeitgeschichte (AfZ), ETH Zürich, Dossier Paula Korn, Bestand Verband Schweizerische Jüdische Fürsorgen, Sign. IB VSJF-Archiv K. 773

  • Collections Arolsen Archives, Doc ID 11241620 (Lotte Korn, geb. 21.07.1906 in Königsberg; Transport Berlin – Litzmannstadt)

  • Reichsmedizinalkalender 1904, 1937
  • Auskunft Kommunität Diakonissenhaus Riehen (E-Mail an den Verf. H Je vom 23.01.2023)

Verzeichnis der Literatur

  • Hoch Fr. Das Diakonissenhaus Riehen während des zweiten Weltkrieges 1939 – 1945. 6. Internierte und Flüchtlinge (S. 12-14, hier S. 14 zu Paula Korn), In: Beiträge zur Geschichte des Diakonissenhauses Riehen, Heft 12

  • Cordy M. Nicht nur für Johnny. Erinnerungen einer Deutsch-Amerikanerin. Berlin: Frieling Verlag 1995, [Die Schwiegertochter Georg und Paula Korns, Meta Cordy, schildert in ihren Erinnerungen den Lebensweg Heinrich Georg Korns/Henry George Cordys, des Sohnes des Ehepaares Korn sowie die Flucht Paula Korns in die Schweiz, bes. S. 112-117
  • Friedrich Th, Fuchs D, Hübner Ch. Victor Aronstein. Gedenkschrift zu seinem 100. Geburtstag am 1. November 1996. Hg. Verein Biographische Forschungen und Sozialgeschichte e.v., Berlin, Druckhaus Köthen GmbH 1996, bes. S. 64-67
  • Rammstedt A. Das Scheitern der Damen Kantorowicz, Hammerschlag und Winter, in: Zudrell P. Der abgerissene Dialog. Die intellektuelle Beziehung Getrud Kantorowicz – Magarete Susman oder die Schweizer Grenze bei Hohenems als Endpunkt eines Fluchtversuchs. Schriften des Institus für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und des Jüdischen Museums Hohenems. Innsbruck: Studien Verlag 1999, S. 11-70
  • Heim G. Ich will keine Blaubeertorte, ich will nur raus. Eine Mutterliebe in Briefen., S. 315

Verzeichnis der Weblinks