Dr. med. Alfred John Alexander
- 07.03.1880, Bamberg
- 15.05.1950, Zürich
- Mitglied seit 1926
- Geflohen 1937, England
- Berlin
- Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten
„Ich, Alfred Alexander, wurde am 7. März 1880 zu Bamberg als Sohn des verstorbenen kgl. Bayer. Advokaten und Rechtsanwalts Dr. Hermann Alexander geboren. Herbst 1886 trat ich in die Vorschule der Wöhlerschule zu Frankfurt a. Main ein, die ich 1889 verließ, um das städtische Gymnasium derselben Stadt zu besuchen. Herbst 1898 verliess ich dasselbe mit dem Zeugnis der Reife und bezog die Universität München, wo ich am 21. Oktober 1898 bei der medizinischen Fakultät inskribiert wurde“, so Alfred Alexander im Lebenslauf seiner Dissertationsschrift. Der Vater war 1885 gestorben. Die Mutter Bella Alexander, geb. Lehmaier, übersiedelte danach mit ihrem Sohn nach Frankfurt am Main.
Ausbildung und Wirkungsstätte
Im Sommer 1900 bestand Alexander an der Münchener Universität das Physikum, wechselte für drei Semester nach Berlin, kehrte zum Wintersemester 1901/02 nach München zurück und legte dort im Frühjahr 1903 das Staatsexamen ab. Im gleichen Jahr wurde er mit der Arbeit „Ueber traumatische kryptogene septische Infektion und traumatische eitrige Gonarthritis“ an der Münchener Universität promoviert.
Seine internistische Ausbildung erhielt Alexander bei Albert Albu in dessen Berliner Praxis und Poliklinik für Innere Krankheiten. Albu gehörte in jener Zeit neben Ismar Boas, Hermann Strauß und Theodor Rosenheim zu den führenden und frühen Berliner Gastroenterologen. Alfred Alexander würdigte seinen Lehrer Albu bei dessen Tod 1921 mit einem ausführlichen Nachruf im Archiv für Verdauungs-Krankheiten (1921; 27: 224-226). Alexander gehörte zudem zum Freundeskreis um Ismar Boas.
Anfänglich beschäftigte sich Alexander mit Fragestellungen zum Diabetes mellitus und publizierte 1908 dazu gemeinsam mit Rudolf Ehrmann die Arbeit „Untersuchungen über den Pankreasdiabetes, besonders über das Blut der Vena pancreatico-duodenalis“. Diese Arbeit hatte er in der Experimentell-biologischen Abteilung des Institutes für Pathologie der Charité angefertigt.
Am 24.12.1909 heiratete Alfred Alexander die 1888 geborene Henriette (Henny) Picard, die aus einer großbürgerlichen Bankiersfamilie in Frankfurt am Main stammte. 1911 und 1912 wurden die Töchter Bella und Elsie, 1917 die Zwillingsbrüder Hanns und Paul geboren.
Am Ersten Weltkrieg nahm Alexander als Sanitätsarzt teil, leitete vorübergehend ein Lazarett und war als beratender Internist tätig. Seit Mitte 1918 war er mit den Folgen der damaligen Influenza-Pandemie („Spanische Grippe“) konfrontiert.
Nach seiner internistischen Ausbildung ließ sich Alexander als Facharzt für Innere Medizin mit gastroenterologischem Schwerpunkt zunächst in der Oranienburger Straße 68 und später in der Kaiserallee 220 (heute Bundesallee) nieder. Die Praxis entwickelte sich rasch mit einer großen Patientenzahl. Zu den Patienten gehörten bekannte Berliner Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller, so Albert Einstein, Max Reinhardt und Marlene Dietrich. Von 1925 bis 1936 war er zudem Leiter des eigenen privaten „Sanatoriums Dr. Alexander“ mit 31 Betten in der Achenbachstraße 15 in Berlin-Wilmersdorf.
In den 1920er Jahren war Alexander aktiv in den ärztlichen Selbstverwaltungsgremien des damaligen Groß-Berlins tätig. Er war Vorsitzender der neu gegründeten ärztlichen Unterstützungskasse, der in jener Zeit eine besondere Bedeutung zukam. Er arbeitete in der Berliner Wohlfahrtspflege und war Vorstandsmitglied des Jüdischen Krankenhauses Berlin.
Ende März 1927 pachtete Alfred Alexander ein Grundstück in Groß Glienicke (Weinberg, Parzelle 3) im Havelland von dem Gutsbesitzer Otto von Wollank, auf dem er im gleichen Jahr ein markantes hölzernes Sommerhaus mit offener Terrasse zum Groß Glienicker See erbauen ließ. Bis zum Februar 1937 war die Familie Alexander im Besitz des Hauses.
Nach 1933 – Flucht nach Großbritannien
Nach dem frühen Entzug der Kassenzulassung und wegen der zunehmenden antijüdischen Maßnahmen der Nationalsozialisten flohen Alexander und seine Ehefrau Henriette am 25.03.1937 nach London (Datum der offiziellen Abmeldung bei den deutschen Behörden). Ihre vier Kinder fanden ebenfalls Zuflucht in Großbritannien.
Am 30.01.1937 verkaufte Alexander das Grundstück Achenbachstrasse 15 mit der Klinik an seinen Kollegen, den Gastroenterologen Paul Hirsch-Mamroth. Dieser war 1940 gezwungen, das Grundstück Achenbachstrasse 15 an die Stadt Berlin zu veräußern (Grundbuchakten Amtsgericht Charlottenburg-Wilmersdorf Band 145 Bl. 4373). Die frühere Wilmersdorfer Achenbachstrasse existiert nicht mehr. Sie ist seit den 1960er Jahren Teil der heutigen Lietzenburgerstrasse.
Nach einem zeitweiligen Studium in Edinburgh sowie in Glasgow und nach den geforderten englischen Prüfungen erhielt Alfred Alexander 1938 eine Lizenz für die Tätigkeit als Gerneral Practitioner in England. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er im Oktober 1939 von der Internierung als Enemy Alien befreit. In dieser Zeit wohnte die Familie Alexander im Londoner Stadtteil Kensington, 11 Addisland Court. Seine Praxis befand sich im Herbst 1939 am Londoner Cavendish Place. Später verlegte Alexander die Praxis in die Harley Street und unterhielt auch in der Wimpole Street Praxisräume.
Die NS-Behörden entzogen Alexander im Juli 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit. In diesem Zusammenhang beschlagnahmte die GESTAPO das in Deutschland vorhandene Vermögen der Familie Alexander einschließlich des Sommerhauses Groß Glienicke. Im November 1939 wurde ihm der Doktortitel durch die Ludwig-Maximilians-Universität München aberkannt. Die britische Staatsbürgerschaft erhielt das Ehepaar Alexander 1947.
Alfred John Alexander starb 70-jährig am 15.05.1950 während eines Aufenthaltes in Zürich. Sein Urenkel Thomas Harding hat 2014 und 2016 mit zwei eindrücklichen Publikationen auf die Geschichte, die Entrechtung und Verfolgung der Familie Alexander während der NS-Diktatur aufmerksam gemacht.
Das heutige Alexander Haus in Groß Glienicke dient seit 2019 als „Zentrum für Bildung und Versöhnung“. Das ehemalige Sommerhaus war von Thomas Harding und einem Unterstützerkreis seit 2013 restauriert worden.