Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Dr. med.
Alfred John Alexander
1880 - 1950

Dr. med. Alfred Alexander <br> © Familie Alexander, mit freundlicher Genehmigung
Dr. med. Alfred Alexander
© Familie Alexander, mit freundlicher Genehmigung

Mitglied seit 1926

Studium in Münchenhttps://www.dgvs-gegen-das-vergessen.de/wp-admin/post.php?post=1196&action=edit&lang=de#

Leiter des "Sanatorium Dr. Alexander", Berlin

Nach 1938 General Practitioner in London

Dissertation, München 1903, Kopie Titelblatt, Archiv H Je
Dissertation, München 1903, Kopie Titelblatt, Archiv H Je
Zeitschrift für Experimentelle Pathologie und Therapie 1908, Archiv H Je
Zeitschrift für Experimentelle Pathologie und Therapie 1908, Archiv H Je
Eintrag im Reichmedizinalkalender 1929, Archiv H Je
Eintrag im Reichmedizinalkalender 1929, Archiv H Je

Dr. med. Alfred John Alexander

  • 0‌7‌.‌0‌3‌.‌1‌8‌8‌0‌, Bamberg
  • 1‌5‌.‌0‌5‌.‌1‌9‌5‌0‌, Zürich
  • Mitglied seit 1926
  • Geflohen 1937, England
  • Berlin
  • Facharzt für Innere Medizin und Facharzt für Magen-, Darm- und Stoffwechselkrankheiten

„Ich, Alfred Alexander, wurde am 7. März 1880 zu Bamberg als Sohn des verstorbenen kgl. Bayer. Advokaten und Rechtsanwalts Dr. Hermann Alexander geboren. Herbst 1886 trat ich in die Vorschule der Wöhlerschule zu Frankfurt a. Main ein, die ich 1889 verließ, um das städtische Gymnasium derselben Stadt zu besuchen. Herbst 1898 verliess ich dasselbe mit dem Zeugnis der Reife und bezog die Universität München, wo ich am 21. Oktober 1898 bei der medizinischen Fakultät inskribiert wurde“, so Alfred Alexander im Lebenslauf seiner Dissertationsschrift. Der Vater war 1885 gestorben. Die Mutter Bella Alexander, geb. Lehmaier, übersiedelte danach mit ihrem Sohn nach Frankfurt am Main.

Dissertation, München 1903, Kopie Titelblatt, Archiv H Je
Dissertation, München 1903, Kopie Titelblatt, Archiv H Je

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Im Sommer 1900 bestand Alexander an der Münchener Universität das Physikum, wechselte für drei Semester nach Berlin, kehrte zum Wintersemester 1901/02 nach München zurück und legte dort im Frühjahr 1903 das Staatsexamen ab. Im gleichen Jahr wurde er mit der Arbeit „Ueber traumatische kryptogene septische Infektion und traumatische eitrige Gonarthritis“ an der Münchener Universität promoviert.

Approbationsurkunde 1903, <br> Bildquelle Entschädigungsbehörde Berlin
Approbationsurkunde 1903,
Bildquelle Entschädigungsbehörde Berlin

Seine internistische Ausbildung erhielt Alexander bei Albert Albu, in dessen Berliner Praxis und Poliklinik für Innere Krankheiten. Albu gehörte in jener Zeit neben Ismar Boas, Hermann Strauß und Theodor Rosenheim zu den führenden und frühen Berliner Gastroenterologen. Alfred Alexander würdigte seinen Lehrer Albu bei dessen Tod 1921 mit einem ausführlichen Nachruf im Archiv für Verdauungs-Krankheiten (1921; 27: 224-226). Alexander gehörte zudem zum Freundeskreis um Ismar Boas.

Anfänglich beschäftigte sich Alexander mit Fragestellungen zum Diabetes mellitus und publizierte 1908 dazu gemeinsam mit Rudolf Ehrmann die Arbeit „Untersuchungen über den Pankreasdiabetes, besonders über das Blut der Vena pancreatico-duodenalis“. Diese Arbeit hatte er in der Experimentell-biologischen Abteilung des Institutes für Pathologie der Charité angefertigt.

Zeitschrift für Experimentelle Pathologie und Therapie 1908, Archiv H Je
Zeitschrift für Experimentelle Pathologie und Therapie 1908, Archiv H Je

Am 24.12.1909 heiratete Alfred Alexander die 1888 geborene Henriette (Henny) Picard, die aus einer großbürgerlichen Bankiersfamilie in Frankfurt am Main stammte. 1911 und 1912 wurden die Töchter Bella und Elsie, 1917 die Zwillingsbrüder Hanns und Paul geboren.

Am Ersten Weltkrieg nahm Alexander als Sanitätsarzt teil, leitete vorübergehend ein Lazarett und war als beratender Internist tätig. Seit Mitte 1918 war er mit den Folgen der damaligen Influenza-Pandemie („Spanische Grippe“) konfrontiert.

Archiv für Verdauungs-Krankheiten 1918, Archiv H Je
Archiv für Verdauungs-Krankheiten 1918, Archiv H Je
Zeitschrift für diätische und physikalische Therapie 1919, Archiv H Je
Zeitschrift für diätische und physikalische Therapie 1919, Archiv H Je

Nach seiner internistischen Ausbildung ließ sich Alexander als Facharzt für Innere Medizin mit gastroenterologischem Schwerpunkt zunächst in der Oranienburger Straße 68 und später in der Kaiserallee 220 (heute Bundesallee) nieder. Die Praxis entwickelte sich rasch mit einer großen Patientenzahl. Zu den Patienten gehörten bekannte Berliner Wissenschaftler, Künstler und Schriftsteller, so Albert Einstein, Max Reinhardt und Marlene Dietrich. Von 1925 bis 1936 war er zudem Leiter des eigenen privaten „Sanatoriums Dr. Alexander“ mit 31 Betten in der Achenbachstraße 15 in Berlin-Wilmersdorf.

In den 1920er Jahren war Alexander aktiv in den ärztlichen Selbstverwaltungsgremien des damaligen Groß-Berlins tätig. Er war Vorsitzender der neu gegründeten ärztlichen Unterstützungskasse, der in jener Zeit eine besondere Bedeutung zukam. Er arbeitete in der Berliner Wohlfahrtspflege und war Vorstandsmitglied des Jüdischen Krankenhauses Berlin.
Ende März 1927 pachtete Alfred Alexander ein Grundstück  in Groß Glienicke (Weinberg, Parzelle 3) im Havelland von dem Gutsbesitzer Otto von Wollank, auf dem er im gleichen Jahr ein markantes hölzernes Sommerhaus mit offener Terrasse zum Groß Glienicker See erbauen ließ. Bis zum Februar 1937 war die Familie Alexander im Besitz des Hauses.

Eintrag im Reichmedizinalkalender 1929, Archiv H Je
Eintrag im Reichmedizinalkalender 1929, Archiv H Je

 

Nach 1933 – Flucht nach Großbritannien

Nach dem frühen Entzug der Kassenzulassung und wegen der zunehmenden antijüdischen Maßnahmen der Nationalsozialisten flohen Alexander und seine Ehefrau Henriette am 25.03.1937 nach London (Datum der offiziellen Abmeldung bei den deutschen Behörden). Ihre vier Kinder fanden ebenfalls Zuflucht in Großbritannien.

Am 30.01.1937 verkaufte Alexander das Grundstück Achenbachstrasse 15 mit der Klinik an seinen Kollegen, den Gastroenterologen Paul Hirsch-Mamroth. Dieser war 1940 gezwungen, das Grundstück Achenbachstrasse 15 an die Stadt Berlin zu veräußern (Grundbuchakten Amtsgericht Charlottenburg-Wilmersdorf Band 145 Bl. 4373). Die frühere Wilmersdorfer Achenbachstrasse existiert nicht mehr. Sie ist seit den 1960er Jahren Teil der heutigen Lietzenburgerstrasse.

Nach einem zeitweiligen Studium in Edinburgh sowie in Glasgow und nach den geforderten englischen Prüfungen erhielt Alfred Alexander 1938 eine Lizenz für die Tätigkeit als Gerneral Practitioner in England. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde er im Oktober 1939 von der Internierung als Enemy Alien befreit. In dieser Zeit wohnte die Familie Alexander im Londoner Stadtteil Kensington, 11 Addisland Court. Seine Praxis befand sich im Herbst 1939 am Londoner Cavendish Place. Später verlegte Alexander die Praxis in die Harley Street und unterhielt auch in der Wimpole Street Praxisräume.

Die NS-Behörden entzogen Alexander im Juli 1939 die deutsche Staatsangehörigkeit. In diesem Zusammenhang beschlagnahmte die GESTAPO das in Deutschland vorhandene Vermögen der Familie Alexander einschließlich des Sommerhauses Groß Glienicke. Im November 1939 wurde ihm der Doktortitel durch die Ludwig-Maximilians-Universität München aberkannt. Die britische Staatsbürgerschaft erhielt das Ehepaar Alexander 1947.

Beschlagnahmung des Vermögens Alexanders und Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit 1939, Bildquelle Entschädigungsbehörde Berlin
Beschlagnahmung des Vermögens Alexanders und Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit 1939, Bildquelle Entschädigungsbehörde Berlin

Alfred John Alexander starb 70-jährig am 15.05.1950 während eines Aufenthaltes in Zürich. Seom Urenkel Thomas Harding hat 2014 und 2016 mit zwei eindrücklichen Publikationen auf die Geschichte, die Entrechtung und Verfolgung der Familie Alexander während der NS-Diktatur aufmerksam gemacht.

Das heutige Alexander Haus in Groß Glienicke dient seit 2019 als „Zentrum für Bildung und Versöhnung“. Das ehemalige Sommerhaus war von Thomas Harding und einem Unterstützerkreis seit 2013 restauriert worden.

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Über Fieber bei Carcinom. Dtsch Med Wochenschr 1907; 33: 176-179
  2. Mit Ehrmann R.: Untersuchungen über Pankeasdiabetes, besonders das Blut der Vena pancreatico-duodenalis. Z exp Path Ther 1908; 5: 367-377
  3. Pentosurie und Darmstörung. Arch Verdauungskr 1918; 24: 286-296
  4. Mit Kirschbaum R.: Zur Hämatologie der spanischen (epidemischen) Grippe. Dtsch Med Wochenschr 1918; 44: 1250
  5. Druckpunktsymptom bei Gastroptose. Dtsch Med Wochenschr 1918; 44: 435
  6. Die postdysenterischen Magen- und Darmkrankheiten. Ztschr für physikalische und diätetische Therapie 1919; 23: 41-49

Quellen und Literatur
zu den Quellen
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Dr. med. Alfred John Alexander

Verzeichnis der Quellen

  • Alexander A. Ueber traumatische kryptogene septische Infektion und traumatische eitrige Gonarthritis. Dissertation, München 1903, darin Lebenslauf S. 155 f. [Bayerisches Staatsbibliothek München, BSB, Sign. Diss. med. 389–16]
  • Universitätsarchiv München. UAM, Stud-BB-98 [Vorlesungs-Belegblätter] und UAM, Sen-II-80; Diplomata – Nr. 7019 [Aberkennung der Doktorwürde].
  • Deutscher Reichsanzeiger Nr. 168 und Preußischer Staatsanzeiger vom 24.07.1939 (Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft mit dem 14.07.1939)
  • Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LABO), Abt. I, Entschädigungsbehörde. Entschädigungsakte Reg. Nr. 250 002 (Dr. med. Alfred J. Alexander, geb. 07.03.1880 in Bamberg)
  • Brandenburgisches Landeshauptarchiv/BLHA 36-II-430 [Oberfinanzpräsident Berlin-Brandenburg, „Vermögens-Verwertungsstelle“. – Alfred Alexander, Henny Alexander, u. a. zur Geschichte des Sommerhauses in Groß Glienicke]
  • Landesarchiv Berlin B Rep 025-01 Nr. 1358/57 [Rückerstattung Grundstück Achenbachstraße 15, Berlin-Wilmersdorf, Dr. med. Paul Hirsch-Mamroth]

Verzeichnis der Literatur

  • Harrecker S. Degradierte Doktoren. Die Aberkennung der Doktorwürde an der Ludwig-Maximilians-Universität München während der Zeit des Nationalsozialismus. München: Herbert Utz Verlag; 2007: 257
  • Schwoch R. [Hg] Berliner Jüdische Kassenärzte und ihr Schicksal im Nationalsozialismus. Ein Gedenkbuch. Berlin: Hentrich & Hentrich Verlag 2009: 37
  • Harding Th. Hanns und Rudolf. Der deutsche Jude und die Jagd nach dem Kommandanten von Auschwitz. München: dtv 2014
  • Harding Th. Sommerhaus am See. Fünf Familien und 100 Jahre deutscher Geschichte. München: dtv 2016
  • Forsbach R, Hofer H-G. Internisten in Diktatur und junger Demokratie. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin 1933-1970. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2018: 416
  • Harding Th., Teckentrup B. Sommerhaus am See: Das Bilderbuch. Berlin: Jacoby und Stuart Verlag 2020
  • Alexander J. A Measure of Time. Selfpublished history of the Alexander family. o. J., o. V.

Verzeichnis der Weblinks