Eine Erinnerungsarbeit der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten
In Erinnerung an

Prof. Dr. med.
Heinrich Rosin
1863 - 1934

Prof. Dr. med. Heinrich Rosin <br> © UB der HU zu Berlin, Porträtsammlung
Prof. Dr. med. Heinrich Rosin
© UB der HU zu Berlin, Porträtsammlung

Mitglied seit 1925

Entwickelte die Rosinsche Probe zum Bilirubinnachweis im Urin

Privatklinik für Magen- und Darmkrankheiten gemeinsam mit Paul Hirsch-Mamroth

Dissertation, Freiburg 1884
Dissertation, Freiburg 1884
Grabstätte Rosins in Berlin-Weißensee, Fotografie Carolyn Naumann, Juni 2021
Grabstätte Rosins in Berlin-Weißensee, Fotografie Carolyn Naumann, Juni 2021
Gedenkstein für Anna Babette Rosin, Trinitatisfriedhof Riesa © Ramona Geißler, Stadtmuseum Riesa
Gedenkstein für Anna Babette Rosin, Trinitatisfriedhof Riesa © Ramona Geißler, Stadtmuseum Riesa

Prof. Dr. med. Heinrich Rosin

  • 2‌8‌.‌0‌8‌.‌1‌8‌6‌3‌, Berlin
  • 2‌3‌.‌1‌0‌.‌1‌9‌3‌4‌, Berlin
  • Mitglied seit 1925
  • Berlin
  • Facharzt für Innere Medizin

Heinrich Rosin wurde 1863 in Berlin als Sohn des Pädagogen und Religionsphilosophen Dr. phil. David Rosin und seiner Ehefrau Emma, geb. Meyer, geboren. Der Vater David Rosin war Leiter der Religionsschule der jüdischen Gemeinde Berlin und wechselte 1864 als Lehrer an das jüdisch-theologische Seminar in Breslau/Wroclaw.

 

Ausbildung und Wirkungsstätte

Rosin studierte in Breslau und Freiburg im Breisgau Medizin. Dort legte er 1887 das Staatsexamen ab und wurde im gleichen Jahr an der Freiburger Universität mit der Arbeit „Über das idiopathische multiple pigmentlose Hautsarkom“ promoviert.

Dissertation, Freiburg 1884
Dissertation, Freiburg 1884

Nach dem Studium war Rosin bis 1892 als Assistenzarzt am Städtischen Allerheiligen-Hospital in Breslau tätig. Während dieser Zeit hielt er sich vorübergehend in England zu Tuberkulosestudien auf. Von 1892 bis 1902 arbeitete er zeitgleich zu Hermann Strauss, Paul Friedrich Richter und Theodor Rosenheim an der III. Medizinischen Klinik der Charité in Berlin bei Hermann Senator. 1896 wurde er an der Berliner Universität für das Fach Innere Medizin habilitiert, 1921 erhielt er eine außerordentliche Professur. 1902 war er bereits zum Titularprofessor ernannt worden.

H. Rosin, Beitrag in Band 8, Spezielle Pathologie und Therapie Innerer Krankheiten, Hg. F. Kruas, Th.
Brugsch, 1920
H. Rosin, Beitrag in Band 8, Spezielle Pathologie und Therapie Innerer Krankheiten, Hg. F. Kruas, Th. Brugsch, 1920
H. Rosin, Herz, Blutgefäße und Blut, 1910
H. Rosin, Herz, Blutgefäße und Blut, 1910

Im März 1906 heiratete Rosin die aus Fürth stammende Anna Babette Büchenbacher. Sie wurde am  5. 10. 1884 in einer jüdischen Fabrikantenfamilie geboren. 1908 kamen die Tochter Eva Esther und 1910 der Sohn Hans David auf die Welt.

Rosins wissenschaftlichen Arbeiten bezogen sich auf physiologisch-chemische Fragestellungen, auf das zentrale Nervensystem, auf Bluterkrankungen einschließlich der Hämophilie und auf Anämie und Chlorose. Nach ihm ist die Trousseau-Rosinsche Probe zum Bilirubinnachweis im Urin mit Hilfe einer Jodlösung mitbenannt (Berl Klin Wochenschr 1893; 30: 106 – 108).

H. Rosin, Hämophilie, in: Band 8, Spezielle Pathologie und Therapie Innerer Krankheiten, 1920
H. Rosin, Hämophilie, in: Band 8, Spezielle Pathologie und Therapie Innerer Krankheiten, 1920
H. Rosin, Anämie u. Chlorose. - Basedowsche Krankheit. 1906
H. Rosin, Anämie u. Chlorose. - Basedowsche Krankheit. 1906

Heinrich Rosin gehörte zu den Mitbegründern der „Jüdischen Blindenanstalt für Deutschland“ und war seit 1910 Vorsitzender des Trägers der Anstalt „Verein Jüdische Blindenanstalt“.

Seit 1924 arbeitete Rosin gemeinsam mit Paul Hirsch-Mamroth in dessen Privatklinik für Magen- und Darmkrankheiten.

Rosin war neben seiner medizinischen Tätigkeit kulturgeschichtlich interessiert, im Verein für jüdische Geschichte und Literatur in Berlin hielt er 1926 einen Vortrag über die Rolle der Juden in der Medizin. Der Vortrag wurde im gleichen Jahr publiziert.

H. Rosin, Die Juden in der Medizin, Vortrag, publiziert 1926
H. Rosin, Die Juden in der Medizin, Vortrag, publiziert 1926

1933

Mit dem 14.09.1933 wurde ihm die Lehrbefugnis an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin wegen „nicht arischer Abstammung“ entzogen (§ 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 07.04.1933).

Heinrich Rosin starb am 23.10.1934 in Berlin. Seine erhaltene Grabstätte befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.

Grabstätte Rosins in Berlin-Weißensee, Fotografie Carolyn Naumann, Juni 2021
Grabstätte Rosins in Berlin-Weißensee, Fotografie Carolyn Naumann, Juni 2021

Rosins Ehefrau, Anna Babette Rosin, floh 1939 über die Schweiz gemeinsam mit ihrer Mutter Emilie Büchenbacher, geb. 1864, in die Niederlande. Dort wurde Anna Rosin  1943 im Lager Westerbork inhaftiert und im Februar 1944 in das KZ Bergen-Belsen deportiert. Anna Rosin gehörte am 10. April 1945 zu den Insassen jenes „verlorenen Zuges“, der bei katastrophalen hygienischen Verhältnissen  von Bergen-Belsen in den  Osten fuhr und 12 Tage später in Tröbitz / Brandenburg vor einer zerstörten Brücke stehenbleiben musste. Die Inhaftierten wurden am 23. April 1945 von sowjetischen Soldaten gefunden und befreit. Anna Rosin starb am 28. 5.1945 in Riesa an Paratyphus, Lungenentzündung, Herz- und Kreislaufschwäche. Sie wurde in Riesa bestattet. Ein Gedenkstein auf dem dortigen  Trinitatisfriedhof erinnert an sie.

Gedenkstein für Anna Babette Rosin, Trinitatisfriedhof Riesa © Ramona Geißler, Stadtmuseum Riesa
Gedenkstein für Anna Babette Rosin, Trinitatisfriedhof Riesa © Ramona Geißler, Stadtmuseum Riesa

Am 13.1.1949 wurde ihr Leichnam exhumiert und auf den großen jüdischen Friedhof Muiderberg in den Niederlanden umgebettet (Auskunft Gedenkstätte Bergen-Belsen, 12.8.2022). Die Umbettung wurde von dem aus Fürth stammenden jüdischen Rechtsanwalt Dr. Konrad Wilhelm Prager und dessen Ehefrau Barbara Prager-Grossmann veranlasst (vgl. Entschädigungsakte für Anna Babette Rosin, Entschädigungsbehörde Berlin , C6 / 7). Prager war 1935 aus Deutschland zunächst nach Prag, 1936 nach Amsterdam geflohen. Er überlebte den Holocaust in den Niederlanden wegen seiner „Mischehe“ mit seiner nicht-jüdischen Ehefrau.

Anna Rosins Mutter Emilie Büchenbacher wurde im April 1943 in Westerbork inhaftiert und am 4.5. 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert. Dort wurde sie nach der Ankunft 78-jährig ermordet.

Der Sohn des Ehepaars Rosin, Hans David, flüchtete1939 in die Niederlande und heiratete dort im Mai 1942 Betje Minco. Sie war die ältere Schwester der niederländischen Schriftstellerin Marga Minco (1920 – 2023), die das NS-Regime überlebte und nach 1945 die Judenverfolgung in den Niederlanden in ihrem literarischen Werk beschrieb (Het bittere kruid. Een kleine kroniek, 1957; Das bitte Kraut – Eine kleine Chronik, 1995 und 2020).

Hans David Rosin und Betje Minco- Rosin wurden im September 1942 32-und 23-jährig  in Auschwitz ermordet.

Die Tochter Eva Esther Rosin war künstlerisch interessiert und als Porträtmalerin tätig. Von ihr stammt ein eindrückliches Porträt der Sozialreformerin Alice Salomon. Eva Rosin verließ Deutschland im Mai 1933, da sie unter der NS-Diktatur als „Volljüdin“ keine berufliche Perspektive sah. Sie lebte seither in Paris. Seit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich im Juni 1940 konnte sie in zwei kleinen Orten in der Nähe des Genfer Sees und später in Saint-Michel-de-Chabrillanoux im Departement Ardèche durch die Hilfe Einheimischer Zuflucht finden und bis zur Befreiung im Verborgenen den Holocaust überleben. Eva Rosin emigrierte 1946 in die USA, lebte zunächst  bei Verwandten in Scranton, Pennsylvania, später in Houston, Texas und in Glyndon, Maryland. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich als Hauslehrerin. Eva Esther Rosin starb im März 1997 in Santa Barbara, Kalifornien.

Pass-Stelle Deutsche Botschaft Paris 1936; Bildquelle: Entschädigungsbehörde Berlin
Pass-Stelle Deutsche Botschaft Paris 1936; Bildquelle: Entschädigungsbehörde Berlin

Eigene Publikationen (Auswahl)

  1. Ueber eine neue Färbungsmethode des gesamten Nervensystems, nebst Bemerkungen über Ganglienzellen und Gliazellen. Neurologisches Zentralblatt 1893; 12: 801–840.
  2. Mit Jellinek S. Ueber Färbekraft und Eisengehalt des menschlichen Blutes. Ztschr klin Med 1900; 39: S. 110-141.
  3. Physikalische Therapie der Anämie und Chlorose. – Basedowsche Krankheit. Stuttgart: Verlag von Ferdinand Enke 1906
  4. Herz, Blutgefäße und Blut und deren Erkrankungen. Leipzig: Verlag von B.G. Teubner 1910.
  5. Hämophilie nebst Einleitung über die Blutgerinnung sowie Über hämorrhagische Diathese., in: Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten, [Hg.] F. Kraus, Th. Brugsch, Band 8, Berlin/Wien: Urban & Schwarzenberg 1920, S. 871-898 und 899 – 9-20.
  6. Die Juden in der Medizin. Berlin: Philo-Verlag 1926. [Nach einem Vortrag im Verein für jüdische Geschichte und Literatur in Berlin]
  7. Mit Böttcher PG Ergebnisse der Untersuchung des nüchternen Magensaftes im Dunkelfeld mit besonderer Berücksichtigung des Karzinoms. Archiv Verdauungskr 1928; 43: 349-356
Danksagung

Ramona Geißler, Stadtmuseum / Stadtarchiv Riesa gebührt Dank für die Fotographie des Gedenksteins für Anna Babette Rosin auf dem Trinitatisfriedhof Riesa. – Carolyn Naumann, Berlin, sei für wichtige Hinweise zur Familie Rosin, zu Heinrich Rosins Vater David und für die Fotographie der Grabstätte Heinrich Rosins auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Wiessensee gedankt. – Dr. Dayana Lau, Alice Salomon Archiv der Alice Salomon Hochschule Berlin danke ich für die gemeinsame Suche nach den Lebensspuren von Eva Esther Rosin.

Beitrag: Dr. med. Harro Jenss, Worpswede


Quellen und Literatur
zu den Quellen
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Quellen/Literatur/Weblinks

Biografie von Prof. Dr. med. Heinrich Rosin

Verzeichnis der Quellen

  • Bayerische Staatsbibliothek. Dissertation Rosin H: Über das idiopathische multiple pigmentlose Hautsarkom. Freiburg 1887. 30 BSB. Diss.med. 187-70: 30
  • Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten ( LABO ), Entschädigungsbehörde Berlin, Entschädigungsakte Reg. Nr. 276 979, Eva Esther Rosin, geb. 7.10. 1908 ; Entschädigungsakte Reg. Nr. 72 958 für Anna Babette Rosin, geb. Büchenbacher, geb. 5. 10. 1884 und Entschädigungsakte Reg. Nr. 52 913 für Emilie Büchenbacher, geb. 24. 5. 1864 ]
  • Weber R. Schicksal der jüdischen Rechtsanwälte in Bayern nach 1933. Hg. Bayerisches Staatsministerium der Justiz, Rechtsanwaltskammern Bamberg, München und Nürnberg und die Pfälzische Rechtsanwaltskammer Zweibrücken. München: R. Oldenburg Verlag 2006, S. 289 [ Kurzbiographie Dr. Konrad Wilhlem Prager, 1. 12. 1903, Fürth, – 7. 1. 1968, Amsterdam ]
  • Müller K – J. Bittere Erfahrungen. Überlegungen zum Werk der niederländischen Schriftstellerin Marga Minco ( 31. März 1920 bis 10. Juli 2023 ). In: Literaturkritik Nr. 10, Oktober 2023 [ https://literaturkritik.de/mueller-minco,29956.html ], Stand 5. 5. 2024

Verzeichnis der Literatur

  • Fischer I. Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Band II. Berlin, Wien: Urban & Schwarzenberg; 1933. 1326
  • Forsbach R, Hofer H-G. Internisten in Diktatur und junger Demokratie. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin 1933-1970. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2018: 435
  • Schottlaender R. Verfolgte Berliner Wissenschaft. Band 23 Stätten der Geschichte Berlins. Berlin: Edition Hentrich 1988: 128
  • Schleiermacher S, Schagen U (Hg.). Die Charité im Dritten Reich. Zur Dienstbarkeit medizinischer Wissenschaft im Nationalsozialismus. Paderborn-München-Wien-Zürich: Ferdinand Schöningh 2008: 62

Verzeichnis der Weblinks

  • Yad Vashem. The Holocaust Martyrs’ and Heroes’ Remembrance Authority. The Central Database of Shoah Victims’ Names. Anna Babette Rosin. Im Internet: https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=de&itemId=11618646&ind=1; Stand: 31.05.2021

  • Yad Vashem. The Holocaust Martyrs’ and Heroes’ Remembrance Authority. The Central Database of Shoah Victims’ Names. Hans David Rosin. Im Internet: https://yvng.yadvashem.org/nameDetails.html?language=de&itemId=11618649&ind=1; Stand: 31.05.2021

  • https://collections.arolsen-archives.org/archive/130365847/?p=12&s=%20Rosin,%20Anna&doc_id=130365847 ([ IST Arolsen, Dokument zu Anna Rosin, geb. Büchenbacher ], Stand 3.5.2024)
  • https://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de&s_id=&s_lastName=Rosin&s_firstName=Hans%20David&s_place=&s_dateOfBirth=&cluster=true [( Eintrag zu Heinrich Rosins Sohn, Hans David Rosin )], Stand 3.5.2024 ( Zugriff 18. 2. 2021 )
  • https://archief.amsterdam/indexen/persons?ss=%7B%22q%22:%22hans%20David%20Rosin%22%7D [ Stadtarchief Amsterdam, Archivkarte Hans David Rosin, Arch-Nr 30238, Inv.Nr. 690 ], Stand 3.5.2024
  • https://collections.arolsen-archives.org/de/search/person/5147659?s=B%C3%BCchenbacher%201864&t=224148&p=0 [ Deportation Emilie Büchenbacher, geb. Dessauer, geb. 24.5.1864, von Westerbork nach Sobibor ], Stand 3.5.2024
  • https://www.joodsmonument.nl/nl/page/184134/hans-david-rosin