Prof. Dr. med. Heinrich Rosin
- 28.08.1863, Berlin
- 23.10.1934, Berlin
- Mitglied seit 1925
- Berlin
- Facharzt für Innere Medizin
Heinrich Rosin wurde 1863 in Berlin als Sohn des Pädagogen und Religionsphilosophen Dr. phil. David Rosin und seiner Ehefrau Emma, geb. Meyer, geboren. Der Vater David Rosin war Leiter der Religionsschule der jüdischen Gemeinde Berlin und wechselte 1864 als Lehrer an das jüdisch-theologische Seminar in Breslau/Wroclaw.
Ausbildung und Wirkungsstätte
Rosin studierte in Breslau und Freiburg im Breisgau Medizin. Dort legte er 1887 das Staatsexamen ab und wurde im gleichen Jahr an der Freiburger Universität mit der Arbeit „Über das idiopathische multiple pigmentlose Hautsarkom“ promoviert.
Nach dem Studium war Rosin bis 1892 als Assistenzarzt am Städtischen Allerheiligen-Hospital in Breslau tätig. Während dieser Zeit hielt er sich vorübergehend in England zu Tuberkulosestudien auf. Von 1892 bis 1902 arbeitete er zeitgleich zu Hermann Strauss, Paul Friedrich Richter und Theodor Rosenheim an der III. Medizinischen Klinik der Charité in Berlin bei Hermann Senator. 1896 wurde er an der Berliner Universität für das Fach Innere Medizin habilitiert, 1921 erhielt er eine außerordentliche Professur. 1902 war er bereits zum Titularprofessor ernannt worden.
Im März 1906 heiratete Rosin die aus Fürth stammende Anna Babette Büchenbacher. Sie wurde am 5. 10. 1884 in einer jüdischen Fabrikantenfamilie geboren. 1908 kamen die Tochter Eva Esther und 1910 der Sohn Hans David auf die Welt.
Rosins wissenschaftlichen Arbeiten bezogen sich auf physiologisch-chemische Fragestellungen, auf das zentrale Nervensystem, auf Bluterkrankungen einschließlich der Hämophilie und auf Anämie und Chlorose. Nach ihm ist die Trousseau-Rosinsche Probe zum Bilirubinnachweis im Urin mit Hilfe einer Jodlösung mitbenannt (Berl Klin Wochenschr 1893; 30: 106 – 108).
Heinrich Rosin gehörte zu den Mitbegründern der „Jüdischen Blindenanstalt für Deutschland“ und war seit 1910 Vorsitzender des Trägers der Anstalt „Verein Jüdische Blindenanstalt“.
Seit 1924 arbeitete Rosin gemeinsam mit Paul Hirsch-Mamroth in dessen Privatklinik für Magen- und Darmkrankheiten.
Rosin war neben seiner medizinischen Tätigkeit kulturgeschichtlich interessiert, im Verein für jüdische Geschichte und Literatur in Berlin hielt er 1926 einen Vortrag über die Rolle der Juden in der Medizin. Der Vortrag wurde im gleichen Jahr publiziert.
1933
Mit dem 14.09.1933 wurde ihm die Lehrbefugnis an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin wegen „nicht arischer Abstammung“ entzogen (§ 3 des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 07.04.1933).
Heinrich Rosin starb am 23.10.1934 in Berlin. Seine erhaltene Grabstätte befindet sich auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Weißensee.
Rosins Ehefrau, Anna Babette Rosin, floh 1939 über die Schweiz gemeinsam mit ihrer Mutter Emilie Büchenbacher, geb. 1864, in die Niederlande. Dort wurde Anna Rosin 1943 im Lager Westerbork inhaftiert und im Februar 1944 in das KZ Bergen-Belsen deportiert. Anna Rosin gehörte am 10. April 1945 zu den Insassen jenes „verlorenen Zuges“, der bei katastrophalen hygienischen Verhältnissen von Bergen-Belsen in den Osten fuhr und 12 Tage später in Tröbitz / Brandenburg vor einer zerstörten Brücke stehenbleiben musste. Die Inhaftierten wurden am 23. April 1945 von sowjetischen Soldaten gefunden und befreit. Anna Rosin starb am 28. 5.1945 in Riesa an Paratyphus, Lungenentzündung, Herz- und Kreislaufschwäche. Sie wurde in Riesa bestattet. Ein Gedenkstein auf dem dortigen Trinitatisfriedhof erinnert an sie.
Am 13.1.1949 wurde ihr Leichnam exhumiert und auf den großen jüdischen Friedhof Muiderberg in den Niederlanden umgebettet (Auskunft Gedenkstätte Bergen-Belsen, 12.8.2022). Die Umbettung wurde von dem aus Fürth stammenden jüdischen Rechtsanwalt Dr. Konrad Wilhelm Prager und dessen Ehefrau Barbara Prager-Grossmann veranlasst (vgl. Entschädigungsakte für Anna Babette Rosin, Entschädigungsbehörde Berlin , C6 / 7). Prager war 1935 aus Deutschland zunächst nach Prag, 1936 nach Amsterdam geflohen. Er überlebte den Holocaust in den Niederlanden wegen seiner „Mischehe“ mit seiner nicht-jüdischen Ehefrau.
Anna Rosins Mutter Emilie Büchenbacher wurde im April 1943 in Westerbork inhaftiert und am 4.5. 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert. Dort wurde sie nach der Ankunft 78-jährig ermordet.
Der Sohn des Ehepaars Rosin, Hans David, flüchtete1939 in die Niederlande und heiratete dort im Mai 1942 Betje Minco. Sie war die ältere Schwester der niederländischen Schriftstellerin Marga Minco (1920 – 2023), die das NS-Regime überlebte und nach 1945 die Judenverfolgung in den Niederlanden in ihrem literarischen Werk beschrieb (Het bittere kruid. Een kleine kroniek, 1957; Das bitte Kraut – Eine kleine Chronik, 1995 und 2020).
Hans David Rosin und Betje Minco- Rosin wurden im September 1942 32-und 23-jährig in Auschwitz ermordet.
Die Tochter Eva Esther Rosin war künstlerisch interessiert und als Porträtmalerin tätig. Von ihr stammt ein eindrückliches Porträt der Sozialreformerin Alice Salomon. Eva Rosin verließ Deutschland im Mai 1933, da sie unter der NS-Diktatur als „Volljüdin“ keine berufliche Perspektive sah. Sie lebte seither in Paris. Seit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Frankreich im Juni 1940 konnte sie in zwei kleinen Orten in der Nähe des Genfer Sees und später in Saint-Michel-de-Chabrillanoux im Departement Ardèche durch die Hilfe Einheimischer Zuflucht finden und bis zur Befreiung im Verborgenen den Holocaust überleben. Eva Rosin emigrierte 1946 in die USA, lebte zunächst bei Verwandten in Scranton, Pennsylvania, später in Houston, Texas und in Glyndon, Maryland. Ihren Lebensunterhalt verdiente sie sich als Hauslehrerin. Eva Esther Rosin starb im März 1997 in Santa Barbara, Kalifornien.
Danksagung
Ramona Geißler, Stadtmuseum / Stadtarchiv Riesa gebührt Dank für die Fotographie des Gedenksteins für Anna Babette Rosin auf dem Trinitatisfriedhof Riesa. – Carolyn Naumann, Berlin, sei für wichtige Hinweise zur Familie Rosin, zu Heinrich Rosins Vater David und für die Fotographie der Grabstätte Heinrich Rosins auf dem Jüdischen Friedhof Berlin-Wiessensee gedankt. – Dr. Dayana Lau, Alice Salomon Archiv der Alice Salomon Hochschule Berlin danke ich für die gemeinsame Suche nach den Lebensspuren von Eva Esther Rosin.
Beitrag: Dr. med. Harro Jenss, Worpswede